Von altem Brauchtum: 1. September (St. Ägidius)

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Aus wirtschaftlicher Perspektive galt der September unseren Altvorderen als Obst- und Hopfenmonat und Zeit der Hackfruchternte. Sie begannen mit dem Pflügen und der Neuaussaat bzw. trieben aufgrund der nach Bartholmäi gelockerten Weidegerechtigkeit die Haustiere, insbesondere Enten und Gänse, auf die abgeernteten Felder, damit diese einige Wochen vor ihrer Schlachtung noch einmal richtig Fleisch und Fett ansetzen sollten. Die Blüte der Herbstzeitlosen und die Reifung von Holunder und Haselnuß bildet vegetationszeitlich den Beginn des Herbstes (Frühherbst).

1. September (St. Ägidius): Als einziger Nichtmärtyrer unter den 14 Nothelfern der vorreformatorischen Zeit waren dem Heiligen Ägidius, dem Patron der gegen Unfruchtbarkeit bei Mensch und Tier sowie gegen die Unbilden des Wetters, zahlreiche Gotteshäuser und Altäre geweiht, insbesondere die ›St. Gilgenkapelle‹ zu Saalburg. Sie war am Stadtberg beim Steintor an den Felsen gebaut und noch im Jahre 1870 hat man Grundmauern von ihr erkennen können. Als vormalige Kapelle des Lobdeburgischen Schlosses [vor 1216] war sie weit älter als die spätere Stadtkirche. Die Besonderheit der Kapelle bestand in einem, im Jahre 1320 zu Avignon von 12 Erzbischöfen und Bischöfen ausgestellten Ablaß, mit dem wahrscheinlich auch ein Jahrmarkt verbunden war. Zu den damals vielerorts im Reiche stattfindenden Ägidimärkten führten [wie noch einmal zur Fastnacht] die Handwerker ihren altüberlieferten Schwerttanz auf. Das war ein besonderer Abwehr- und Geschicklichkeitstanz mit blank gezogenen Saxen (Kurzschwertern), wie solche im Gegensatz zum Langschwert des Ritters den Bürgern und Bauern des Mittelalters zu Tragen und Führen gestattet waren. Im Jahre 1494 wird die Saalburger Gilgenkapelle als noch ›im Gebrauch befindlich‹ bezeichnet, doch dürfte sie bald nach der Reformation eingegangen sein. Der Heimatforscher Robert Eisel erwähnt 1871 eine weitere Kapelle an der Stelle der Saalburger Scharfrichterei, mit der er aber höchstwahrscheinlich die Gilgenkapelle meinte. Auch erwähnt er ein wundertätiges Gnadenbild, daß ehedem auf dem Berge zwischen den Stadtberg und dem Hatzenberg gestanden habe.1 Auch nach der Reformation behielt der Ägidiustag im Oberland etwas von seiner vormaligen Bedeutung, nichtzuletzt als wichtiger Lostag. So zeigt ein schöner ›Egiditag‹ nach dem Lichtenbrünner Kalender einen guten Herbst an. Wie das Wetter an diesem Tage ist, so wird es auch Anfang November sein, oder mit der Intention des Lobensteiner Kalendermachers Körber: ›Wie der Hirsch zu Egidi in die Brunft, eintritt, so tritt er gewöhnlich auch wieder heraus.‹2

Über den Autor: Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Sein neuestes Buch: „Wetterextreme im Reußischen Oberland“. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen



1 Vgl. Brückner 1870, S. 663; Eisel 1871, Nr. 979
2 Vgl. Körber 1718 bei Hänsel 1926/1, S. 11

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