Von altem Brauchtum: Quasimodogeniti, Weißer Sonntag – Hammelauskegeln

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An diesem Sonntag der ›Neugeburt‹ [lat.: Quasimodogeniti] sind es nun ihrerseits die katholische Kinder des dritten Schuljahres, die heute ihre feierliche Erstkommunion erhalten. Auch ist der Weiße Sonntag einer jener Tage, die seit altersher für Verwandtenbesuche vorgesehen sind.

Hammelauskegeln

In einigen katholischen Gegenden finden am Weißen Sonntag Pestwallfahrten und Widderprozessionen statt. So ist es sicher kein Zufall, daß um diese Zeit in einigen oberländischen Gemeinden (andernorts um Pfingsten, mitunter auch erst zur Kirmes) das Hammelauskegeln oder Hammelschießen mit anschließendem Dorftanz durchgeführt wird. Dem Landes- und Volkskundler Georg Brückner zufolge fand es noch um 1870 im Oberland als zweitägige Volksvergnügung statt. Höchstwahrscheinlich geht die Tradition auf heidnisches Brauchtum zurück. Schon den Göttern der Germanen galt das Kegeln mit abgedrehten Totenschädeln und Schenkelknochen geopferter Menschen als ihr Lieblingsspiel. Die Sage vom Kegelspiel der Zwerge auf dem Ziegenrücker Schloßberg erinnert noch daran. Beim Hammelauskegeln wird eine etwa 20 Meter lange Stangenbahn gelegt und ein Holzkegel, der Kegelkönig, aufgestellt, der mit Holzkugeln bzw. mit Eisenkugeln [vielfach ausgedienten Kanonenkugeln] zu treffen ist, bei unebener Straße keine Kleinigkeit. Die besten Zielchancen sind gegeben, wenn man die Kugel dermaßen aus der Hand kegelt, daß dabei Unterarm, Handgelenk und die beiden mittleren Finger des Werfers eine gerade Linie mit einem gewählten Fixpunkt auf der Ziellinie bilden. Jeder Treffer zählt als ›Stecher‹ und berechtigt zum nochmaligen Kegeln. Nach dem Endausschied erhält der Sieger einen Hammel, mancherorts auch eine Geldprämie. Vor Beginn des Ausschießens ist man früher mit Musik durchs Dorf gezogen, der Hammel mit roter Schleife und Strauß vornweg. Auch ist überliefert, daß die Männer, die sich am Auskegeln beteiligen wollten, große schwarze Hummeln gefangen und eingesteckt haben, damit sie ihnen Glück bringen sollten.

Die Kinder übten mitunter ihr eigenes Kegelfest, wie es in Dittersdorf oder Dragensdorf bei Schleiz Brauch war. Dort fand alljährlich ein Hasenauskegeln statt. An einem Samstagabend wurde von den Mädchen eine Kiste, in die der Hase kommen sollte, festlich mit frisch gepflückten Blumen geschmückt. Die Jungen verkauften derweil im Dorf Lose [Stecher] und erwarben von dem Gelde einen Hasen. Dann holten sie eine blühende Birke aus dem Wald, die mit Flattern und Rosen geschmückt wurde. Am Sonntag begann das Fest mit einem Kinderumzug. Mit der Birke voran, dahinter eine Kapelle aus musikspielenden Jungen, gefolgt von zwei Jungen mit der Hasenkiste zogen die Kinder durch das Dorf. Dem Hasen hatten sie ein rotes Band umgebunden. Dann bauten sie an einem ebenen Ort mit zwei Balken eine kleine Kegelbahn auf und holten die Kugeln und den Kegelkönig. Dann ging das Kegeln los und die Holzkugeln ratterten nur so an die Banden. Wer den Hasen gewonnen hatte, durfte den kleinen Kerl, der die ganze Zeit über vor Angst und Panik keine ruhige Sekunde erlebt hatte und vor Schreck halbtot war, dann mit nach Hause nehmen.1

Über den Autor
Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen

1 Vgl. Brückner 1870, S. 190; Frieda Rudorf: Hasenauskegeln, in: Obelandhefte (Jugendgarten) Nr. 3 (15.12.1925); Remane 1957, S. 42

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