Omageschichten

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Pfeif auf die Kalorien! Von Brigitte Richter (Thierbach)

 

Seitdem bei mir die 70 im Ausweis steht, mache ich Sachen, die mir früher nie eingefallen wären. Zu viel Aufwand, zu viel Arbeit! Aber heute, da denke ich an die nächste Generation, die von mir lernen soll, was ich von meiner Oma gelernt habe.

 

Alte bäuerliche Gerichte werden gekocht. Nicht nur die Sonntagsklöße, sondern auch das, wonach sich jeder Liebhaber die Fingerleckt:

Heute gibt es Detscher zu Mittag (Küchle) für meine Schwester und ihre Familie. Kennt ihr Detscher? Küchle, oder in Pottiga „Röhrenkuchen“? Hab gestern Kartoffeln gekocht und heiß gepresst, mit der Kartoffelpresse. Die Masse muss kalt sein, wenn man einen Teig draus machen will.

Heute gebe ich 2 Eier dazu, einen Teelöffel Salz (ist ne ganz schöne Menge an Kartoffeln) und ca 8 gehäufte Esslöffel Mehl.

Um 12 beginne ich, die ausgerollten Detscher (ca 15x15cm groß) in einer beschichteten Pfanne zu backen, ohne Fett. Früher wurden sie auf der gescheuerten Herdplatte gebacken, aber die Sauerei mach ich nicht. Da verbrennt das Mehl auf dem Ofen und die Küche stinkt tagelang!

Der ausgerollte, dünne Teig der Küchle muss auf beiden Seiten Blasen bilden und braune Pünktchen zeigen, dann sind sie durch.

Dann hoffe ich, dass die Gäste pünktlich sind und die Küchle (so heißen sie bei uns) mit guter Butter schmieren und zuckern. Alleine schafft man das gar nicht.

Früher war das ein Armeleuteessen, heute ist es etwas ganz besonderes und wird in Thüringen auf Volksfesten, für sehr viel Geld, angeboten.

Am Detscherstand stehen immer die meisten Leute, weil kaum noch jemand so etwas daheim macht. Ich habe in meiner Küche einen 53 Jahre alten Glutosherd, der mit Holz und Kohle befeuert wird. Da geht das wunderbar, mit dem Küchle backen.

Die Ersten 2 oder 3 welle ich aus und probiere, bevor die Gäste da sind. Man will ja wissen, wie sie schmecken!

Meine Oma hat immer gesagt: „Wenn de Butter hiem und driem am Maul runter läfft, sinse richtig, de Kiechle!“

Pfeif auf die Kalorien!

 

Und mit jedem Küchle, das man sich in den Mund schiebt, kommen die Erinnerungen an Oma Hulda, und auch an meine Mutter, die das ebenfalls hervorragend gemacht hat.

Aber Oma war eben ein Original. Bei jedem Küchle backen jammerte sie: Das war heute das letzte Mal, dass ich sowas mache. Die Sauerei in der Küche, und selber kommt man nicht zum essen!“ Jedoch hatte Oma auch im Vorfeld schon probiert, ob ihre Küchle schmecken.

 

Dann erzählte sie von ihrem Sohn Erich, der im 2. We3ltkrieg  mit 19 Jahren im Kessel von Stalingrad gefallen ist.

Er hat leidenschaftlich gerne Küchle gegessen. Und wenn Oma die Ersten geschmiert hatte, naschte er sie schon aus der Schüssel. Oma schimpfte ihn und haute ihm spaßig auf die Finger.

Wenn sie später von ihrem Erich erzählte, sagte sie immer: „Ach hätte ich ihn doch essen lassen, so viel er wollte!“

 Mit dieser Erfahrung meiner lieben Oma Hulda mache ich so viel Kartoffelteig, dass sich jeder doll und voll essen kann. Pfeif auf die Kalorien!

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