Forderungen eines Kindes an seine Eltern
1. Ich ahme Dich gerne nach! Achte also auf Dein Benehmen und Verhalten.
2. Verwöhne mich nicht! Ich weiß sehr wohl, daß ich nicht alles bekommen kann,
wonach ich frage. Ich teste Dich ja nur.
3. Habe keine Angst, im Umgang mit mir standhaft zu bleiben!
Mir ist diese Haltung lieber. Dann weiß ich nämlich, woran ich bin.
4. Sei nicht inkonsequent! Das verwirrt mich.
Und ich versuche um so eifriger, alles zu erreichen, was ich will.
5. Mach keine raschen Versprechungen! Bedenke, daß ich mich
schrecklich fühle,
wenn Versprechungen gebrochen werden.
6. Befasse Dich nicht zu sehr mit meinen schlechten Gewohnheiten.
Sonst werde ich sie nämlich zu behalten suchen.
7. Weise mich nicht im Beisein anderer Leute zurecht
(wenn es sich vermeiden läßt). Ich beachte Deine Worte viel mehr,
wenn Du zu mir unter vier Augen sprichst.
8. Sei nicht fassungslos, wenn ich zu Dir sage: „Ich hasse Dich!“
Ich hasse nicht Dich, sondern Deine Macht,
meine Pläne zu durchkreuzen.
9. Bewahre mich nicht immer vor den Folgen meines Tuns.
Ich muß auch einmal peinliche Erfahrungen machen.
10. Nörgele nicht mit mir.
Um mich zu schützen, muß ich tun, als ob ich taub wäre.
11. Sage nicht, meine Ängste seien albern! Sie sind erschreckend echt.
Aber Du kannst mich beruhigen, wenn Du versuchst, sie zu begreifen.
12. Verlange keine Erklärung für mein falsches Benehmen.
Ich weiß wirklich nicht, warum ich so gehandelt habe.
13. Schenke meinen kleinen Leiden nicht zu viel Beachtung.
Manchmal verschaffe ich mir so Deine Zuwendung, die ich brauche.
14. Unterbrich mich nicht, wenn ich Fragen stelle. Sonst wirst Du merken,
daß ich aufhöre, Dich zu fragen. Dann suche ich mir die Antworten anderswo.
15. Versuche nicht, immer so zu tun, als seiest Du perfekt oder unfehlbar.
Der Schock ist für mich zu groß,
wenn ich herausfinde, daß Du es doch nicht bist.
16. Vergiß nicht, ich liebe Experimente!
Ich kann ohne sie nicht groß werden. Bitte halt’s aus!
17. Denke nicht, es sei unter Deiner Würde, Dich bei mir zu entschuldigen.
Eine ehrliche Entschuldigung erweckt bei mir ein
überraschendes Gefühl der Zuneigung.
18. Tu nichts für mich, was ich selber tun kann! Sonst fühle ich nämlich wie
ein Baby und werde Dich auch weiterhin in meinen Dienst stellen.
19. Sorge Dich nicht, daß Du wenig Zeit für mich hast!
Was zählt ist, wie wir die Zeit miteinander verbringen.
20. Vergiß nicht, daß ich ohne eine Menge
verständiger Liebe nicht gedeihen kann.
(Aber das muss ich Dir wohl nicht sagen, nicht wahr?)
Aus dem Buch „Kinder fordern uns heraus“ von Rudolf Dreikurs und Vicky Soltz