Zur Waldarbeit in früherer Zeit

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Überaus schwer war in alten Tagen die Holzfällertätigkeit. Besonders an den abschüssigen Hängen des Saaletals und ihrer Nebengründe kam es immer wieder zu Unfällen mitunter tragischen Ausgangs. Noch heute rangiert das Gewerk des Forstmannes in der Liste der gefährdetsten Berufsgruppen weit vorn, nicht weit hinter dem Testpiloten, weswegen mancherlei Aberglauben ehedem mit der Waldarbeit verbunden war. Wenn etwa nach dem Fällen eines Baumes noch Holzfasern, ein sogenannter ›Bart‹, auf dem Stocke stehenblieb, so mußte dieser unbedingt glatt davon abgehackt werden, damit die Moosmännchen keinen Knoten daraus schlingen können, denn wenn ihnen dies gelingt, so geschieht den Holzfällern Unheil. In Wilhelmsdorf und anderen Gemeinden mit großem Waldbesitz legte die Bauern, bevor sie am Morgen mit der Fällarbeit begannen, drei Stückchen Brot und andere Speisen auf die Holzstöcke. Auch Wasser setzten sie diesen Waldgeistern vor, in ganz kleinen Schüsselchen, die aus schwarzen Ton geformt waren und weniger als zwei Zoll Durchmesser besaßen.1 Solche ›Himmelsschüsselchen‹ werden noch heute – meist unter entwurzelten Bäumen – hin und wieder gefunden.

In den ausgedehnten fürstlichen Waldungen an der oberen Saale überließ man den Handfrönern die schwere Arbeit des Holzhauens, während die Pferdefröner – jene vermögenderen Bauern, die mit Pferd und Wagen zur Frone erscheinen konnten – die Stämme dann aufladen und an deren Bestimmungsorte fahren mußten. Bevorzugt arbeiteten die Holzhauer im Winterhalbjahr, vornehmlich aber im Dezember und Januar, wenn die Säfte der Bäume weitgehend aus dem Stamm gewichen waren. Ein wichtiger Fixpunkt für ihre Arbeit war die Zeit zwischen dem Sebastianstag [20.01.] und Pauli Bekehrung [25.01.], ›wo der Wurm sich in der Erde dreht‹, das Leben in den Bäumen also langsam wieder in Gang kommt. Bis zu diesem Termin mußte man mit dem Umhauen der Bäume also fertig sein. Ausgeästet und abtransportiert werden konnten sie später.

Über den Verkauf des Holzes aus dem Herrenwald und die Abhaltung von Holzmärkten schreibt Robert Hänsel, daß das Holz im 17. [und auch im 19.] Jahrhundert fast alles unaufbereitet auf dem Stock verkauft wurde und der Holzkäufer selbst für die Aufbereitung sorgen mußte. »Nur beim Verkauf des Floßholzes ließ man die Fällung, Aufbereitung auf Kosten des Käufers besorgen. Die Abgabe des Holzes an die umwohnenden Bürger und Bauern fand zweimal im Jahr statt, zu Reminiszere [2. Sonntag nach Fastnacht] und zu Bartholomäi [24.08.]; man nannte diese Verkaufstermine das ›Frühjahr- und Herbstanweisen‹ oder auch den ›Holzmarkt‹. Sobald im Frühjahr der Schnee geschmolzen war, durchzogen die Forstbeamten mit den Holzkäufern den Wald, wiesen die von letzteren gekauften Stämme an, indem sie diese mit dem Waldeisen bezeichneten und nahmen das Geld ein. Die Forstbeamten erhielten von dem Waldzins – d. h. den Preis des Baumes – ein bestimmtes Anweisegeld, das einen Teil ihres Einkommens ausmachte. Dasselbe wiederholte sich im Herbst vor Eintritt der rauen Witterung.2«

Über die Holzpreise im 18. Jahrhundert erfahren wir aus einem Vertrag von 1721, wo die Witwe Heinrichs XV. von Reuß-Lobenstein, die Gräfin Benigne, 30.000 Lachter Scheitholz an das nach ihr benannte Hammerwerk ›Benignengrün‹ – die Lachter drei Ellen weit, 3½ Ellen hoch und jedes Scheit 1¾ Ellen lang – für den vergünstigten Preis von 8 Groschen verkaufte.3

Die Holzhauer

In den weniger besiedelten Gebieten, wo es kaum Waldfröner gab, beschäftigten die Förster bei anstehenden Großeinschlägen auch besondere Holzknechte, die saisonal in primitiven Hütten am jeweiligen Fällort lebten. Ein Vorarbeiter, nicht selten von den Holzknechten selbst gewählt, nahm die Anweisungen des Haumeisters bzw. des Försters entgegen und organisierte den Einschlag. Ihm stand der beste Platz an der abendlichen Feuerstelle und am Nachtlager zu. Er sprach das Morgen- und das Abendgebet und bestimmte den Tagesablauf. Gearbeitet wurde vorwiegend in jenen Monaten, wo die landwirtschaftliche Arbeit ruhte, so daß sich neben herrschaftlichen Knechten auch Bauernsöhne, ja Bauern selbst diesen Holztrupps anschlossen. Die erfahrensten Holzleute gingen bei der Arbeit voran und gaben ihr Wissen an die jüngeren weiter.

Einer von ihnen war der gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der Gegend zwischen Linkenmühle und Saalthal wirkende Holzfranzl, den Harry Wünscher folgendermaßen charakterisiert: »Vierundsiebzig Jahre ist er alt. Sein Haar ist weiß, sein Antlitz faltig, seine Gestalt ein wenig gebückt. Aber seine Augen leuchten in Jugendglanz; rüstig schreitet er dahin, auf der Schulter die Axt, in der Hand die Säge. Die sind seine besten Freunde; mit denen hält er Zwiesprach, wenn er tagelang in den abgelegenen waldesdüsteren Saalleiten keiner Menschenseele begegnet. Sie haben ihn noch nie verlassen, nicht im Leid, nicht in der Freude. Sie haben ihm den Körper gestählt, die Muskeln gestrafft, Hunger und Durst gestillt. Darum hält er sie lieb und wert und trennt sich nur von ihnen, wenn er sonntags in die Kirche geht.«4

Wie anderswo auch, hatten sich in den Holzhauertrupps die Neuen bzw. Jungen den Älteren bedingungslos [!] unterzuordnen. Man versuchte aber, so gut es ging, miteinander auszukommen. Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein war die Hacke [Axt] das einzige Fäll- und Aufbereitungswerkzeug. Die Fällaxt besaß einen langen Stiel und ein langes, schmales, gewölbtes, eher dünnes Blatt, um rasch und tief ins Holz eindringen zu können. Seltener war die Verwendung der Doppelaxt, da sie am Nacken keine Schlagplatte besaß. Die Baumstämme wurden durch waagerechte Keile von einer, manchmal auch von zwei Seiten zu Fall gebracht. Indem die Kerben im Stehen gehackt wurden, war die Bruchstelle relativ weit vom Wurzelansatz entfernt. Erst die schrittweise Einführung der Holzsäge um die Wende zum 19. Jahrhundert minderte diesen extremen Holzverlust. Doch auch mit großen Schrotsägen konnten die Bäume, nicht unter 0,65 m über dem Boden gefällt werden, was ein späteres Ausgraben [oft Heraussprengen] der Stöcke [mit Schießpulver] rechtfertigte. Abgesägt und ausgeästet mußte jeder Mann ca. 10 Festmeter am Tage bewältigen. Schwer zu bestimmen war die Fallrichtung, zumal man nicht immer wußte, wo der Schwerpunkt war – ein Problem, daß übrigens auch der heutige Waldbesitzer noch gut kennt. Gearbeitet wurde von Montag bis Samstag, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Die Wochenarbeitszeit endete mit dem Ausläuten am Samstagabend. Die Essensration eines Holzknechts und auch die vieler anderer bestand bis weit ins 19. Jahrhundert hinein aus ca. 3 Pfund Butterschmalz, 5-7 Pfund Mehl sowie etwas Salz in der Woche. Daraus wurde eine der Hauptspeisen der damaligen Bevölkerung, der Mehlbrei, als Suppe [Mus] gekocht bzw. zu Polze [Bolz] in der Pfanne gebraten. Als Beigaben fanden sich je nach Jahreszeit Pilze und Waldbeeren, Käse, Beigemüse, manchmal auch ein Stück Fleisch, oft von einem ›vermoderten‹ Stück Wild, daß man von den herrschaftlichen Jagdknechten bekommen hatte. Der Brei war eine ideale Mahlzeit, weil seine Hauptbestandteile die ganze Woche über haltbar waren, der Aufwand der Zubereitung kurz und der Nährstoffgehalt den Bedarf von Schwerarbeitern angemessen war. Indem die Männer in den Holztrupps die Woche über aufeinander angewiesen waren, bei der mitunter sehr gefährlichen Waldarbeit sorgfältig sein und sich aufeinander verlassen mußten, spielten Zuverlässigkeit und Kameradschaft eine weitaus höhere Rolle als in dem individualistischen Zeitalter unserer Tage.5

Die Leseholzweiber

Vor dem Hereinbrechen der ›Kunststoff-Ära‹ im 20. Jahrhundert, als viele Gebrauchsgegenstände bis hin zu ganzen Werksanlagen noch mit großem Holzanteil gefertigt wurden, galt Waldbesitz als bedeutende Kapitalanlage. Besonders während der Gründerzeit ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herrschte ein ungeheuer Bedarf an Bau- und Rüstholz, und es ist kein Wunder, daß die Jenaer Carl-Zeiß-Stiftung einen Großteil ihrer Gewinne aus dem Ersten Weltkrieg in den Kauf von Wäldern an der oberen Saale investierte. Zudem besaßen auch die Reußen den meisten Wald in ihren Ländern selbst. Auch die holzbesitzenden großen Gemeinden zogen manchen Gewinn daraus und kompensierten damit etwa in der ›Schlechten Zeit‹ nach 1945 manche der ihnen von den Besatzern aufgezwungenen, aber nicht realisierbaren Liefersölle mit dem Verkaufserlös von Einschlägen aus ihrem Gemeindewald. Viele bäuerliche Waldbesitzer waren gezwungen, es ihnen nachzutun, wodurch der Waldbestand [auch in den westlichen Besatzungszonen] bis 1952 auf ein Drittel der Bestände von 2010 fiel, und so in den gelichteten Forsten für kurze Zeit wieder seltene Tierarten wie Auerhühner und Fasane heimisch wurden.

Aber wie verhielt es sich im sogenannten ›Hölzernen Zeitalter‹ mit jenen Kleinbauern und Häuslern, die keine eigenen Waldflächen besaßen und auch von der Nutzung der Gemeindehölzer ausgeschlossen waren. Sie mußten jeden Stock und Stecken meist von den Rittergütern kaufen und waren dementsprechend verstimmt, als im 19. Jahrhundert in Ostthüringen von Grundstücksspekulanten erworbene Rittergüter, mit Erlösen aus Einschlägen in den dazugehörigen Gutswäldern bezahlt wurden. Es ist also kein Wunder, daß sich die Revolution von 1848 vielerorts gerade an der Waldfrage entzündete, weswegen etwa die jüngeren Reußen waldlosen Kleinbauern und Häuslern aus dem Umfeld ihrer riesigen Waldungen gestatteten, zu bestimmten Zeiten [an den sogenannten ›Holztagen] darin Reißig zu sammeln und auch herumliegende Äste und Stämmchen aufzuglauben, soweit diese nicht dicker als ein Arm waren und keine Axt oder Säge dabei verwendet wurde. Selbst bei den Holz- und Reißiglesefrauen aus Liebengrün, das damals dem Preußischen Kreis Ziegenrück zugehörte, drückte – wie Karl Göhring in der Liebengrüner Ortschronik berichtet – der Forstmeister von Lückenmühle ein Auge zu, wenn sie zu diesem Zwecke in den Streitwald gingen. Nichtzuletzt mit der Selbstbegründung, der Streitwald habe in ältesten Tagen zum großen Teil zu Liebengrün gehört, unterliefen die Brennholzsammlerinnen mitunter diese Verbote und machten mit besonderen Sägen [mit gekürztem Blatt und Haselnußbogen] auch einmal eine dürre Fichte um, die sie dann – in Klötze zersägt und in ihrem Huckelkörben unter Reißig verborgen – heimschafften. Dies geschah meist in kleinen Trupps von 2-4 Frauen, unterstützt von den Kindern, und besonders zu Tabuzeiten, wo es auch die Forstaufseher und Jäger im Walde nicht litt. So begab es sich einmal, daß an einem solchen Tage – einem Aschermittwoch – mehrere ältere Liebengrünerinnen im Streitwald von einem jungen Forstmann auf frischer Tat ertappt wurden, doch geistesgegenwärtig sprach die eine zur anderen: »Zieh doch schnell mal dein Zauberbüchlein aus der Schürzentasche! Jetzt wird dieser Dingerich verhext, dass er drei Tage auf dem Fleck stehenbleiben muss!« Da wurde es dem jungen Mann unheimlich zumute, und schnell machte er sich von dannen. Nur im darauffolgenden Frühjahr, als die Frauen im Tagelohn Fichten mit pflanzten, mußten sie sich von dem alten Oberförster die Frage gefallen lassen: »Ich möchte nur wissen, wer neulich meinen Gehilfen so eingeschüchtert hat, daß er jetzt um Leseholzweiber einen großen Bogen macht?«6

Die Mär vom ›Festmachen‹ trug gleich zahlreichem anderen Aberglauben – wie man heute sagen würde – sozialdisziplinarischen Charakter. Schon den Kindern schärfte man strengstens ein, nicht einmal Fallobst aufzulesen, weil sie dann – soweit der Besitzer des Baumes zauberkundig sei – ›stienig‹ gemacht werden würden, sich also nicht mehr von der Stelle bewegen könnten, bis jemand käme und ihnen die nötige Strafe verabreichte. In beinahe jedem Dorf kursierte der Wandermythos von der naschsüchtigen Bauersfrau, die an einem Samstagsabend kurz vor dem Zubettegehen auf den Gedanken kam, in Nachbars Vorgarten noch schnell ein paar Birnen zu mausen. Dort wurde sie aber ›stienig‹ gemacht und mußte in ihrem geschürzten Nachthemd, in das sie die Birnen eingelesen hatte, die ganze Nacht über am Baume stehen bleiben, was sie am darauffolgenden Sonntagmorgen dem Spott der sie passierenden Gottesdienstbesucher aussetzte. Dieses Prinzip war von den Liebengrüner Frauen, die nach ihrer eigenen Logik ja selber hätten fürchten müssen, ›stienig‹ gemacht zu werden, dreist umgekehrt worden. Die Änderung des Spielfeldes also hatte sie aus dieser ›Situation‹ herausführt.7

Holzeinschlag zum richtigen Zeitpunkt

Die ›Holztage‹ besaßen aber noch eine andere Bedeutung, denn seit jeher herrschte nämlich der Glaube, daß zu verschiedenen Zeiten geschlagenes Holz auch verschiedene Qualitäten besitze. So schlug man auch in Ostthüringen früher Brennholz möglichst im November im ersten Viertel des zunehmenden Mondes und Bauholz nach Weihnachten ebenfalls bei zunehmendem Mond. Viele belächeln heute diesen merkwürdigen Aberglauben, wundern sich aber gleichfalls, warum auf ihren Dachböden bestimmte alte Dielen einfach nicht wurmen, während daneben verlegte jüngere Hölzer schon wiederholt ausgetauscht hatten werden müssen. Auch bewundert man die mancherorts noch erhaltenen hölzernen Einfassungen von Schmiedefeuern, von den Dachessen aus Holz, die etwa in Lobenstein bis Ende des 18. Jahrhunderts Gang und Gebe waren, gar zu schweigen.

Nun hat sich besonders in den Alpenregionen Österreichs solches überlieferte Wissen um den richtigen Zeitpunkt bei Holzeinschlag – nämlich unter Berücksichtigung des Mondlaufes durch die einzelnen Sternzeichen – bis heute erhalten, und verbreitet sich von da nun wieder ganz allgemein, so daß es hier und da sogar wieder Bildschnitzer, Tischler und selbst Zimmerleute gibt, die bevorzugt solches ›Mondholz‹ verwenden. Besonders das seit über 30 Jahren immer wieder aufgelegte Buch von Johanna Paungger und Thomas Poppe ›Vom richtigen Zeitpunkt‹ hat diese Thematik wieder aufgegriffen.

Danach sollen die Tiroler Bergbauern ihr Holz stets bei abnehmendem Mond, bevorzugt aber zwischen dem 21.12. und 06.01. geschlagen haben. Benötigten sie etwa zum Wiederaufbau nach einem Brand Holz, das grün und ohne Trocknung sofort verbaut werden mußte, so schlugen sie am 24.06. zwischen 12 und 13 Uhr (Sommerzeit) ein, doch auch an warmen Sommertagen – wenn die Bäume im vollen Saft stehen – sollte es glücken, vorausgesetzt das Holz wird unverzüglich eingebaut. Feuerfeste Holz dagegen gewannen sie bevorzugt am 01.03. nach Sonnenuntergang. War dies nicht möglich, so standen weitere Termine im Oktober, wenn der Neumond in die Waage fällt, aber auch am Tage vor dem Dezembervollmond bzw. 2 Tage vor dem Märzvollmond zur Auswahl. Für Holz das nicht faulen würde, ging man möglichst am 01.01, 07.01., 25.01. oder in den Tagen zwischen dem 31.01. und 02.02., am besten aber am 30. oder 31.03., soweit der Mond gerade abnimmt oder gleichzeitig in den Fischen steht, ins Holz.

Kein Tiroler Tischler hätte früher Möbelholz verwendet, das nicht in den 8 Tagen nach dem Dezemberneumond, wenn der Mond gleichzeitig in Waage, Löwe oder Jungfrau steht, geschlagen worden wäre. Möbelholz ließ sich aber auch zu Neumond im November gewinnen, wenn der Mond gleichzeitig im Skorpion steht. Ebenso verarbeiteten – wie der Wagnermeister Michael Ober 1912 konstatierte – die Tiroler Zimmerleute bevorzugt Bretter-, Säge- und Bauholz, das bei zunehmendem Mond im Tierkreizeichen Fische geschlagen worden war.8 Für Boden- und Werkzeugholz wiederum sollte das bei zunehmendem Mond im Skorpion (August) oder am ersten Tage nach Vollmond, wenn gleichzeitig der Mond im Stier steht, gewonnene Holz das Beste sein. Ihr Brennholz aber schlugen die Bauern am liebsten während der ersten sieben Tage nach dem Oktoberneumond oder generell nach der Wintersonnenwende bei abnehmendem Mond, doch müsse der Baumwipfel dabei bergab liegen. Genauso wie der Bauer am 18. Juni vormitags Unkraut jäten solle, damit es nicht wiederkehre, müsse er am Tage der Wintersonnenwende zum Holzeinschlag im Walde sein.

Auch für die Gewinnung von Christbäumen bestanden – und nicht nur im alten Tirol – eigene Regeln. So behalten diese »besonders lange ihre Nadeln, wenn sie 3 Tage vor dem 11. Vollmond geschlagen werden. Früher erhielten diese Christbäume vom Förster den ›Mondstempel‹.«9 Vor dem elften Vollmond sollten sie geschlagen sein, weil um den zwölften im Hochland gewöhnlich schon alles unter einer dicken Schneedecke begraben lag. Festgehalten werden kann als Termin hierfür also der zunehmende elfte, aber auch der zwölfte Vollmond des Jahres. Allerdings funktioniert es mit solchen Christbäumen nur, wenn sie hernach kühl und dunkel bis schattig oder gleich im Freien (ebenfalls möglichst schattig) gelagert werden.

Überhaupt gewinnen auch alle anderen Regeln bei der Ernte von ›Mondholz‹ erst dann Geltung, wenn das Holz unmittelbar nach dem Einschlag entrindet wird und hinterher auf natürliche Weise – also im Freien und in der Regel mindestens ein Jahr lang – trocknen kann. Lediglich zur Beseitigung der Restfeuchte dürfen solche Hölzer hinterher noch kurzzeitig in die Trockenkammer.

Auch die Waldpflege erfolgte früher nach dem Monde: Für das Auslichten von Beständen oder das Ausroden für Neuanpflanzungen waren jene Schwendtagen vorgesehen, die auf den abnehmenden Mond oder auf einen der zahlreichen Marienfeiertage [z.B. 02.02., 15.08., 08.09.] fielen. Aber auch die letzten 3 Tage im Februar, ferner der 03.04., 22.06, und 30.07. sollten sich hierfür eignen. Junge Bäumchen gesetzt hingegen hat man an den üblichen, vom Mondkalender dafür vorgesehenen Pflanztagen.10

Das Thema ›Mondphasen und ihr Einfluß auf Holzeigenschaften‹ würde der Esoterik, bestenfalls der Volkskunde vorbehalten bleiben, wenn der Schweizer Wissenschaftler Prof. Dr. Ernst Zürcher von der Hochschule für die Holzwirtschaft in Biel für eine großangelegte Studie nicht fast ein Jahr lang jeden Tag Bäume hätte schlagen lassen und auf signifikante Unterschiede in der Holzqualität untersucht hätte. Dabei konnte er beweisen, das die alten Schlagregeln durchaus ihre Berechtigung zu haben scheinen, wobei aber nicht nur der Mond, sondern auch die Gestirne sowie die Gezeiten einen Einfluß auf die Holzqualität haben.11 Ursache hierfür ist, daß die Holzeigenschaften stark durch das, in den Zellwänden gebundene Wasser geprägt sind, und sich das Holz-Wasser-Verhältnis periodisch mit den verschiedenen Mondphasen verändert, da der Mond selbst es ist, der eine Veränderung der Gravitationskräfte sowie der geomagnetischen Störungen auf der Erde erzeugt. Demnach kann sich Holz, das zum falschen Zeitpunkt geschlagen wird, als Bauholz nur bedingt eignen, da es beim Trocknen mehr Wasser verliert und dadurch leichter sowie weniger druckfest wird als das während der gegenläufigen Mondphase gefällte Holz.12

Über den Autor: Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Sein neuestes Buch: „Wetterextreme im Reußischen Oberland“. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen


1 Vgl. Rudolf Drechsel: Sagen und alte Geschichten aus dem Orlagau, Wernburg 1934, S. 50f.

2 Zitiert bei Veronica Hegner: Der Ketten- und/oder Köthenwald bei Dröswein, in: Heimatjahrbuch des Saale-Orla-Kreises 2010, S. 44f.

3 Vgl. N.N.: Die Wurzbacher Hämmer, in: Oberlandhefte 1925, Nr. 6, S. 42.

4 Vgl. Harry Wünscher: Sagen, Geschichten und Bilder aus dem Orlagau, Teil I, Pößneck 1902, S. 110.

5 Vgl. Alexander Blöthner: Abschied von der alten Saale – Zur Geschichte der Jagd, der Fischerei und des Waldes – Anmerkungen zur Entstehung der Städte und des Handels – Vom alten Bergbau-, Hütten-, Mühlen- und Flößereiwesen im Saale-Orla-Raum, Norderstedt 2017, S. 70ff. (ISBN 978-3-744-81273-3)

6 Vgl. Karl Göhring: Wie die Holzfrauen einem Forstgehilfen das Laufen lernten, in: Gemeinde Liebengrün (Hg.): Festschrift zur 625-Jahrfeier des Marktfleckens Liebengrün 1377–2002, Lobenstein 2002, S. 164.

7 Vgl. Alexander Blöthner: Sagenhafte Wanderungen in Ziegenrück und Umgebung – Sehenswürdigkeiten, Denkmäler, Altertümer, Alteuropäische Flurnamen, Archäologische Fundstätten, Heidnische Kultverdachtsplätze – Ein Landeskundliches Lesebuch für Schule und Haus, Norderstedt 2020, S. 203. (ISBN 978-3-75262-429-8)

8 Vgl. Ludwig Weinhold: Zeichen zum Holzschlagen und Schwenden – von Michael Ober, Wagnermeister in St. Johann in Tyrol, aufgeschrieben von Josef Schmutzer am 25. Dezember 1912, in: Johanna Paungger, Thomas Poppe: Vom richtigen Zeitpunkt – Die Anwendung des Mondkalenders im täglichen Leben, München 1991, S. 180.

9 Vgl. Bernhard Michels: Der immerwährende, ganzheitliche Natur- und Wetterkalender, München 1998, S. 200.

10 Vgl. Johanna Paungger, Thomas Poppe: Im Rhythmus von Mond, Natur und Zahl – Unsere essenziellen Bausteine für ein gesundes, erfülltes Leben, München 2022, S. 26-30.

11 Vgl. Hans Groth: Nachgefragt:Ernst Zürcher, in: Hans Groth© wissenschaft.de (01.11.2001).

12 Siehe Ernst Zürcher: Die Bäume und das Unsichtbare – Erstaunliche Erkenntnisse aus der Forschung, AT-Verlag 2018.

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