Von altem Brauchtum: Maibaumsetzen

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Am Vorabend des ersten Mai (im Schleizer Oberland dagegen am Freitag vor Pfingsten, in Seibis traditionell sogar erst zu Johanni) wird der Maibaum aufgerichtet. Schon Tage vorher haben die jungen Burschen oder die Mitglieder der Feuerwehr eine lange Fichte aus einem Privatwald (als Spende) oder aus dem Gemeindewald ausgesucht. Der Baum wird gefällt, an Ort und Stelle entästet und mittels Traktor und mehreren Anhängern ins Dorf gefahren. Oft unter großem Gejohle, da vielerorts das unebene Gelände viel Geschick vom Fahrer und den Haltern auf den Hängern abverlangt, damit die Fichte als Ganzes im Dorf ankommt. Dann wird der Baum für seinen Zweck vorbereitet. Alle Äste werden beseitigt, die Rinde mit Schäleisen entweder ganz oder partiell in ca. 30 cm dicken Ringen vom Baum geschält. Dem Zurichten folgt das feierliche Aufrichten auf dem Anger oder einem sonstigen freien Platz. Hier wird ein kompletter Baum aufgestellt, dort eine geschmückte Spitze, ein kleine Birke oder Fichte an einen Stamm gebunden. Den Kranz für den Maibaum haben die Frauen und Mädchen aus dem Dorf mit Schnettel (Fichtenzweigen) gebunden und mit bunten Bändern geschmückt. Ebensolche bunten Bänder kommen an die Baumspitze. Früher mußte der Maibaum auch von den Burschen des Dorfes über Nacht bewacht werden. Denn es war ganz allgemein, den Maibaum des Nachbarortes zu entwenden. Der Baum mußte dann unter Hohn und Gelächter mit viel Bier und Schnaps wieder ausgelöst werden. Heute hingegen machen sich die Schelmen nicht mehr die Mühe auf diese Weise an Hochprozentiges zu kommen. Sie zersägen den Baum einfach. In alter Zeit gab es um den feierlich unter Anwesenheit des ganzen Dorfes aufgestellten Maibaum eine Reihe von Tänzen, Spielen und Gebräuchen. Doch bereits vor 90 Jahren war, wie Robert Hänsel schreibt, das meiste davon verschwunden, selbst der seinerzeit noch übliche Maitanz hatte nichts mehr mit dem Maibaum (eigentlich Maienbaum – Baum der mit Maien, ein alter Ausdruck für belaubtes oder benadeltes Gezweig) zu tun, sondern wurde sogar häufig noch im Juni abgehalten, wenn etwa im Mai der Tanzsaal nicht frei war. Dem Mai- oder Maientanz selbst ging dabei ein Umzug mit vorangetragener Birke voran. Mancherorts erfolgte vor dem Tanz ein Umzug der Jugend durchs Dorf, bei dem allerlei Geschenke eingeheimst und Naturalien zusammengeschnorrt wurden. Neben dem großen Maibaum gab es in manchen Dörfern noch einen kleinen Maibaum, der auf einem hölzernen Trog in die Mitte des Dorfteichs gesetzt wurde. Der Maibaum bleibt solange stehen, bis er dürr ist, dann wird er verkauft und das Geld davon gemeinsam vertrunken. Daß man dem Maibaum nicht nur eine fruchtbarkeitsfördernde (dem einen oder anderen Kirchenmann galt er als ein ›zum Himmel stinkendes Idol‹), sondern auch eine blitzabwehrende Wirkung zugesprochen hat, liegt auf der Hand. In alten Zeiten, als die zumeist eingeschossigen Häuser der Bauern noch mit Stroh oder dürren Holzschindeln gedeckt waren, ragte der Maibaum wie ein riesiger Blitzableiter über das Dorf hinaus. Daher wurden besonders grüne und saftige Stämme ausgesucht.1 Mit der Errichtung des Maibaums – sei es zu Walpurgis oder zu Pfingsten – war auch das ›Anschlagen‹ eng verbunden, welches noch in den 1920er-Jahren folgendermaßen ablief: »An allen Häusern, in denen junge Mädchen wohnen, werden Birkenzweige angebracht, die an den Haustüren, Fensterladen usw. befestigt werden. In Oßla werden sie in das Abfallrohr der Dachrinne gesteckt. Unbeliebte Personen erhalten in vielen Dörfern sogenannte ›Schandmaien‹. Statt Birken schmückt man ihre Häuser mit Dornbüschen, Zweigen vom Vogelbeerbaum, alten Besen und Strohwischen. In manchen Dörfern wie z. B. in Willersdorf erhalten Mißliebige keinen Schmuck. In vielen Dörfern wird sowohl der Maibaum errichtet wie auch das ›Anschlagen‹ geübt, in andern nur dieses oder jenes. … In Oschitz werden auch die Bottiche mit Maien geschmückt, in vielen Dörfern wie Oßla und Röttersdorf die Kirche. In Oettersdorf setzen die Burschen auch Birken vor das Wirtshaus, wofür sie einen Freitrunk erhalten.«2 Noch heute ist es im Schleizer Oberland Brauch, sich zu Pfingsten kleine Birkenbäume vor die Tür und/oder einen Birkenstrauß ins Haus zu stellen.

Über den Autor
Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen

1 Vgl. Robert Hänsel: Der Maibaum, in: Oberlandhefte 1925, Nr. 2, S. 27f.; N.N.: Der Maibaum, in: Oberlandhefte 1927, Nr. 2, S. 18f.
2 Hänsel 1927/2

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