Von altem Brauchtum: 1. Mai – Tag der Arbeit

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1. Mai (Tag der Arbeit): Um die Bedeutung der ehedem zu Walpurgis bzw. am Ersten Maitag begangenen Festlichkeiten in vollem Umfange erfassen zu können, muß man sich die Situation vor Augen führen, wie der Winter in alten Zeiten erlebt worden sein muß, nämlich als kalt, dunkel und mitunter auch von Hunger geprägt, so daß man ihn am liebsten verschlafen hätte. Ungeheuer sehnsuchtsvoll erwartete man daher das Frühjahr mit seinem aufsteigenden, Wärme bringenden Licht und der emporschießenden Saat, was das Leben wieder leicht und angenehm machte. Über den Ablauf des wichtigen und beliebten Maifestes, bei dem früher rechtliche Angelegenheiten erledigt, die beginnende Fruchtbarkeit in Ritualen betont, Hab und Gut vor Unwettern geschützt und schließlich neue Kraft und Lebensfreude vermittelt wurde, geben unsere Bräuche und viele Sagen Auskunft. Wie wir bereits hörten, war im indoeuropäischen Bereich die Vorstellung der Heiligen Hoch­zeit verbreitet, bei der sich Himmel und Erde vereinigten. Sie galt als Ursprung allen Lebens und Urbild der Ehe. Durch Regen, Tau und Sonnenstrahlen befruchtete der Himmel die Erde, so daß sich üppiges Wachstum einstellte und neues Leben entstand. Zur Fruchtbarkeit der Erde trugen elbische Wesen bei, wie die aus dem Orlagau überlieferten Heimchen. Das Bündnis mit ihnen wurde jedes Jahr zu Walpurgis erneu­ert.1

Maikundgebungen

Traditionell war der Erste Mai jener Fixpunkt, ab dem das öffentliche Leben wieder ins Freie, etwa auf dem Dorfplatz getragen werden konnte. Noch heute schärft man im Oberland den Kindern ein, sich nicht vor Mai auf den Erdboden zu setzen. Seit altersher fanden an diesem Tage besondere Maiandachten, Maitänze, Liebesbräuche, Wallfahrten, Viehmärkte, Turniere, Waffenschauen, Schützen- und Heimatfeste statt. Wie einst der Amtmann oder Gutsherr das Gewehr seiner Untertanen musterte, so waren es ab der Neuzeit die Politiker, die an diesem Tage ihre Anhängerschaft aufmarschieren ließen. Den Anfang hierzu machte die internationale Arbeiterbewegung, als sie im Jahre 1889 den Maitag zum Kampf- und Feiertag der Arbeiterklasse erklärte, wo demonstrativ der Arbeit ferngeblieben und stattdessen Kundgebungen und Umzüge besucht wurden. Vorläufer hierfür waren die mit dem Zeitalter der Hoch-Industrialisierung eingegangenen jährlichen Innungsfeste der Handwerker, die auch in Lobenstein, Saalburg, ja selbst auf dem flachen Land – jede Innung für sich – an besonderen Tagen abgehalten wurden.
Im Jahre 1933 erklärten die Nationalsozialisten den Ersten Mai sogar zum gesetzlichen Feiertag, worauf er auch im ländlichen Raum nicht allein mehr als eine Art ›blauer Montag‹ nach den Walpurgis-Aktivitäten am Vortag wahrgenommen wurde. Doch mußten sich z.B. noch im Jahre 1946 Männer aus unserer Region die als Kriegsgefangene bei französischen Bauern arbeiteten, von ihren Brotherren vorwerfen lassen, wie sie als, wenn auch protestantische Christen einen kommunistischen Feiertag mithalten könnten. Die Bedeutung des Ersten Mai als ›Tag der Werktätigen‹ wurde insbesondere zu DDR-Zeiten von der politischen Agenda hochgehalten. Nicht nur in der Kreisstadt Lobenstein, in Saalburg oder Wurzbach fanden entsprechende Kundgebungen mit Umzügen der Werktätigen durch mit Wimpeln und Flaggen (möglichst an jedem Haus) geschmückte Straßenzüge statt. Auch in den Großgemeinden und bis Ende der 70er-Jahre reihum selbst in den mittleren Dörfern (jedenfalls dort, wo sich größere LPG-Anlagen befanden) veranstaltete die örtliche Obrigkeit – also Bürgermeister, Schuldirektor und LPG-Vorsitzender resp. LPG-Parteisekretär – entsprechend kleinere Kundgebungen. Die Teilnehmer solcher Massenveranstaltungen trugen obligatorisch eine rote Mai-Nelke am Revers, die als tragender Teil im Festablauf ›dazu delegierten‹ Schüler und Lehrlinge dann die entsprechenden Kennzeichen ihrer jeweiligen SED-Kinder- resp. Jugendorganisation. Als in den 1980er-Jahren dann die kostenlose Rostbratwurst und das Glas Bier als Motivation für die viele Umzugsteilnehmer nicht mehr ausreichte, wurden über die Arbeitskollektive dann kleine Geldbeträge, in der Regel 5 Mark, ausbezahlt, ›damit die Leute noch hinhingen‹. Seit den Wende 1989/90 hat der Maitag zumindest im ländlichen Raum für viele lediglich die Bedeutung eines arbeitsfreien Tages, an dem etwa ein Familienausflug unternommen wird, wo aber auch bevorzugt Dorf- oder Vereinsfeste stattfinden.

Über den Autor
Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen


1 Vgl. Drechsel 1934; Resch-Rauter 1992

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