Pestilenz und ›Schwarzer Tod‹ vom Mittelalter bis in die Frühneuzeit [Teil 4]

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Auch in der zweiten Dekade des 17. Jahrhunderts flackerten in Thüringen immer wieder kleinere und größere Epidemien auf. In Pößneck starben 1625 1.000 Menschen, also zwei Drittel der Bevölkerung, an der Pest, in Erfurt, das damals etwa 19.000 Einwohner zählte 3.600 Menschen. 1626 wütet die Pest in Seibis bei Lobenstein, wo ein Bergwerk darumwillen zum Erliegen kommt und danach niemals wieder befahren wird. Im gleichen Jahr herrschte der ›Schwarze Tod‹, dort ›Ungnade‹ genannt, in Tanna »und auch auf anderen sonst lüftigen Berghöhen. … Nicht nur durch die Annäherung an die Kranken, sondern auch die Berührung dessen, was ihnen gehörte, pflanzte den Giftstoff fort.« Oft starben alle Bewohner eines Hauses. Die Angst war so extrem, dass jeglicher Zusammenhalt und Nächstenliebe verloren gingen. Blutsfreunde und Angehörige flohen einander, selbst Eltern verließen ihre sterbenden Kinder. Gar oft lagen in einem Grabe Vater, Mutter, Kinder und Dienstboten beisammen.1 In Tanna starben 1626 nicht weniger als 196, in Schleiz 181 Personen an der Pest. In den Jahren 1631/1632 wurde durch die kaiserliche Soldateska der durch den Genuß fäkalverseuchten Trinkwassers entstandene Flecktyphus in ganz Thüringen und im Vogtland verbreitet. 1633 starben in Schleiz 248 Personen, darunter 83 an der ›Pest‹, wie es wieder hieß. Auch Saalburg, Stadtroda, Bürgel und Auma waren davon betroffen. Von Juni bis Dezember 1633 wütete die Pest auch in der Stadt Altenburg und forderte der Frommeltschen Chronik zufolge unter den Einwohnern allein – die fremden Soldaten ungerechnet – 2.104 Tote [!].2 1634 starb zu Plauen beinahe die halbe Bevölkerung an der Pest und auch in den reußischen Herrschaften und im Neustädter Kreis hielt die Seuche wieder kalte Küche. In Schleiz starben 168 Personen, in Lobenstein etwa 150 und damit dreimal so viele Menschen wie sonst.3 »Einige Stellen aus dem Kirchenbuch mögen davon berichten: Ein Verstorbener liegt 4 Tage, wird aber hernach noch mit Sang und Klang begraben. – Ein Weib ist einen halben Tag am Steg gelegen, niemand wagte nachzusehen, ob sie tot oder lebendig sei – bei einem Eintrag über den Tod eines Kindes ist angefügt: ›nun 5 aus diesem Haus, ach erbarm dich unser und wehre dem Würgeengel!‹ Auch Totenträger und Totengräber verschont die Pest nicht. Ein weiterer Eintrag: ›An einem Tag 3, ach Gott sei uns gnädig!‹ Eine Magd von Seibis und der Stadtknecht werden im Hakengrund eingegraben. Ein andermal lesen wir: ›Sind 5 an einem Tage gewesen, ach Gott Erbarm dich unser! Amen!‹«4 Über die Pest in dem, etwa auf halbem Weg nach Hirschberg gelegenen Dorf Pottiga erfahren wir in diesem Jahr zudem: »Die Fuhrwerke mit den Toten auf dem Weg nach dem Pfarrort Berg führten geradewegs durch den Hof des Saalhammers. Aus Angst, sein Haus möchte sich mit der Seuche anstecken, ließ der dortige Hammerherr Tobias Oberländer an anderer Stelle eigens eine Saalebrücke, die ›Leichenbrücke‹, errichten. Doch nach kurzer Zeit fand sich niemand mehr, der die Leichen den Rudolphsteiner Hang hinauf nach Berg fahren wollte; deshalb begrub man die Leichen unter ›einem Pirnbaum im Tiefenacker‹. Auch auf dem linken Saaleufer, Pottiga gegenüber in Kemlas herrschte 1634 die Pest. Der Pfarrer von Berg schrieb damals ein: ›Hans Lang sen. aufm Kemlas mit 2 Töchtern und der Magd stirbt und werden alle 4 im Garten begraben. In diesem Jahr waren im Kirchspiel 127 Leichen. Seuchen! Und Pest! Sonst starben immer nur 50 bis 60.‹5


Über den Autor
Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen


1 Vgl. Fritz Wetzel: Was der Großvater sann – Ein Abriß der Tannaer Geschichte, in: Oberland 1932, Heft 6, S. 100, Zitat ebenda
2 Vgl. Moritz Theodor Frommelt: Geschichte des Herzogtums Sachsen-Altenburg vom Anfang der historischen Kenntnis bis auf unsere Zeit für alle Stände nach Urkunden und besten Quellen bearbeitet, Leipzig 1838, S. 33
3 Marco Trampel, Mike Strunkowski, Jenö Klemm (Hg.): gera-chronik.de (Stand 26.11. 2012); Autorenkollektiv: 675 Jahre Auma – Geschichte und Geschichten einer Stadt (Hg. von der Stadt Auma), 2006, S. 21
4 Otto Behr: Lobenstein im 30-jährigen Krieg, in: Thüringer Pestalozzivereine (Hg.): Thüringen in Wort und Bild, Berlin 1900, S. 166-169
5 Paul Georg Herrmann: Pest! – Ein Beitrag zum 30-jährigen Krieg im Voigtland, in: Oberland 1926, Heft 10, S. 153ff.


Aus: Alexander Blöthner: Der Dreißigjährige Krieg in Thüringen [1618–1648] Östlicher Teil: Reuß, Orlagau, Schwarzburg, Holz- und Osterland, Norderstedt 2018, S. 33-48. (in oberlandbezogenen Auszügen)

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