Das Klima im Thüringer Oberland: Teil 2 – Klimageschichte

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Über den Autor
Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen

Über die Entwicklung des Klimas in vergangenen Jahrhunderten haben zeitgenössische Berichte und Anmerkungen in Kirchenbüchern oder alten Chroniken, die Auswertung von Wachstumsringen von Bäumen, Pollenanalysen in älteren Bodenschichten bis hin zur Untersuchung von Eisbohrkernen und jüngeren kalkhaltigen Sedimentablagerungen auf dem Meeresboden inzwischen ein fundiertes Bild ergeben, wonach verringerte Sonneneinstrahlung, gesteigerte Vulkan-Aktivität, Wiederbewaldung infolge von Bevölkerungsrückgang, zeitweise Abschwächung des Golfstroms, bis hin zu Änderungen im Umlauf der Erde um die Sonne immer wieder zu Anomalien geführt haben.

Festzuhalten bleibt zu nächst, daß um 9.600 vor Christi am Beginn des nach geologischen Gesichtspunkten definierten derzeitigen Erdzeitalters ›Holozän‹ ein rascher Temperaturanstieg den altsteinzeitlichen Perma-Landschaften der Eiszeit ein Ende setzte und eine bis heute anhaltende Warmphase einleitete. Dem sich langsam nach Norden zurückziehenden Eis folgte zuerst die Tierwelt, dann der Mensch. An den Ufern der zahlreichen Schmelzgewässern entwickelte sich eine hochentwickelte Fischereikultur.

In einer frühen Phase der Mittelsteinzeit entstanden zunächst Kiefernwälder mit Birken [Präboreal], die um 6.800 vor Christus Mischwäldern mit vielen Haseln [Boreal] wichen. Neben Fischen und Wildtieren war die Haselnuß eine intensiv genutzte Nahrungsquelle des Menschen.

Mit dem Auftreten der ersten Bauern vor mehr als 7.000 Jahren brach auch im mitteldeutschen Raum die Jungsteinzeit an. Seither ist eine so intensive anthropogene Einflußnahme auf den Wald zu verzeichnen, daß manche Forscher die Jungsteinzeit lieber als ›Holzzeit‹ bezeichnen würden. Die Jahrestemperatur war damals um zwei Grad höher als heute und es regnete viel.

Dann begann vor etwa 5.000 Jahren und bis ins 19. Jahrhundert hinein ein langfristiger Abkühlungstrend von etwas mehr als 0,1 Kelvin pro Millennium, der auf eine Änderung der Neigung der Erdachse zurückgeführt wird und die saisonale und regionale Verteilung der auf der Erde eintreffenden Sonnenstrahlung veränderte.1 Denoch bestand im zweiten und dritten Jahrtausend vor Christi in Bezug auf Nord- und Mitteleuropa ein Klimaoptikum mit milden Wintern und langen Sommern, welches eine blühende bronzezeitliche Kultur hervorbrachte. Wein wuchs bis hinauf nach Südnorwegen. Über ganz Skandinavien lag der Schatten riesiger Laubmischwälder. Gletscher gab es nur noch im äußersten Norden.

Dann brach in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts vor Christi eine Serie von Naturkatastrophen über die Alte Welt herein. Es begann damit, daß der Grundwasserspiegel des Meeres bis zu sieben Metern absank, daß Quellen versiegten, Flüsse versickerten, Moore aufhörten zu wachsen. In seinen ›Metamorphosen‹, einer Geschichte der Welt von ihren Anfängen bis zu Kaiser Augustus, verortet der römische Dichter Ovid in diese Zeit eine globale Katastrophe, die ausbrach, nachdem Phaeton, der sterbliche Sohn des Sonnengottes Helios, sich von seinem Vater den Sonnenwagen entliehen hatte, das schwere Gefährt aber nicht beherrschte und damit auf die Erde fiel, worauf nicht nur Rhein, Donau, Po und Rhône, sondern auch Nil, Euphrat, Don und Ganges verdampft seien. Dem folgte ein weiterer Tiefpunkt, als im Jahre 1220 v. Chr. nahe der Insel Kreta ein unterirdischer Vulkan ausbrach, wonach sich infolge seismischer Meereswellen die See von den Küsten zurückzog und selbst das Wasser aus den Flüssen mit hinaussaugte, um dann als haushohe brüllende Wand zurückzukehren. Nicht nur in der Bibel, auch in 150 weiteren Überlieferungen rund um die ganze Welt ist von dieser Sintflut die Rede.2 »In Mittel- und Nordeuropa wurde es nach dieser großen Hitze rauher, die Gletscher wuchsen wieder, wodurch der Meeresspiegel absank, die Rebe zog sich aus Skandinavien zurück, eine Epoche, die der schwedische Prähistoriker Eric Graf Oxenstirna die ›lichtumflossene Bromezeit‹ genannt hatte, ging zu Ende.«3

Wie Tacitus und andere Schriftsteller der Antike erzählen, war jenes Mitteleuropa, in das die Römer seit dem letzten vorchristlichen Jahrhundert vorstießen, von undurchdringlichen Urwäldern ungeheurer Ausdehnung bedeckt, denen etwa der frühe Geograph Plinius grollte, da sie durch ihre Schatten die natürliche Kälte des Landes nur noch steigerten. Dazwischen gab es größere und kleinere Offenlandschaften, die dicht besiedelt waren. In unserer Gegend gehörten etwa der Saalfelder Kessel, die Orlasenke, das Hofer und das Plauener Becken dazu.4

Nach dem Ende der Völkerwanderung und dem Untergang des Thüringerreiches [531] verdunkelte sich höchstwahrscheinlich durch Vulkanausbrüche ab dem Jahre 536 der Himmel über Europa für 14 lange Jahre. »In den Pollendiagrammen gehen etwa zwischen 350 und 600 die typischen Kultur- und Offenlandanzeiger zurück, während Anteile der Pollenkörner von Waldbäumen zunehmen. Das läßt auf eine Wüstungsperiode mit anschließender Wiederbewaldung schließen. Dennoch blieben auch in der Völkerwanderungszeit die Gunsträume in Ostthüringen keineswegs menschenleer, wie archäologische und historische Tatsachen belegen.«5

In den Klosterchroniken des 11. Jahrhunderts finden sich über einen längeren Zeitraum Häufungen merkwürdiger Wetterphänomene wie Schnee im Juli und blühende Landschaften im Dezember. Auch für das Jahr 1315 ist eine, von Mißernten nach Schlechtwetterperioden ausgelöste reichsweite Hungerkatastrophe überliefert. Wie Untersuchungen des Absterbedatums fossiler Pflanzen in der kanadischen Arktis ergaben, stellten sich die Jahre von 1275 bis 1300 sowie von 1430 bis 1455 als Perioden mit vermehrtem Gletscherwachstum sowie relativ plötzlich absterbender Vegetation heraus. Zu dieser Zeit erwartete eine Zweig der böhmischen Hussiten das Ende aller Tage und vermeinte, vor der Wiederankunft Christi die Welt noch von allen Sündern und bösen Menschen reinigen zu müssen, was zwangläufig all jene waren, die ihrem Eidbund fernstanden. So unternahmen sie über Jahre hinweg eine Reihe von Vernichtungsfeldzügen, einen davon 1430 durch die Mark Meißen. Im Jahre 1446 waren es schließlich die sächsischen Landesherren selber, die über 5 Jahre lang einen verheerenden Bruderkrieg gegeneinander führten, der 1450 seinen Höhepunkt erreichte. Mit dieser Jahreszahl in Verbindung steht die Mega-Explosion eines Vulkans in der Südsee, die mit der Kraft von 100.000 Atombomben gewaltige Flutwellen auslöste, wodurch die zwei Jahre später in Europa ankommenden Aschewolken seltsame Himmelphänomene erzeugten, welche die 1453 Konstantinopel belagernden Türken verwirrten und im September 1465 in ganz Europa sogar eine blaue Sonne ›erzeugten‹.6

Mit einem ähnlichen Phänomen definitiv aber nicht mit Nordlichtern könnte das folgende, sich 1561 bei Heberndorf im Lobensteinischen sich zugetragene Ereignis erklärt werden. Dort sah man »gegen 4 Uhr über dem Culme eine große lichte Wolke als ein brennend Feuer hinwegziehen. Solches zog hernach nach Leutenberg, fiel herab auf die Erden, wo es noch bei einer Stunde fortgebrannt ist, auch darnach herumgezogen bis über Elgersbrunn [Eliasbrunn], wo es wie eitel Blut worden. Feurige Sterne aber sind von den Wolken gegangen und großes Prauschen ist dabei gewest. Etliche sagen endlich, daß sie geharnischte Leute darinnen gesehen! Gott helfe uns Allen.«7 Dieses Ereignis markiert für unserer Region den Beginn der sogenannten ›Kleinen Eiszeit‹.

1 Vgl. Shaun A. Marcott: A Reconstruction of Regional and Global Temperature for the Past 11,300 Years, in: Science, Nr. 339 (08.03.2013)

2 Vgl. Gerhard Herm: Die Kelten – Das Volk, das aus dem Dunkel kam, Augsburg 1996, S. 139ff.

3 Ebenda, S. 141

4 Vgl. Alexander Blöthner: Eine kleine Geschichte der Jagd und des Waldes im Saale-Orla-Kreis, Plothen 2011, S. 42

5 Vgl. Claudia Schmidt u.a.: Kulturlandschaftsprojekt Ostthüringen – Historisch geprägte Kulturlandschaften und spezifische Landschaftsbilder in Ostthüringen – Ein Forschungsprojekt der Fachhochschule Erfurt, Fachbereich Landschaftsarchitektur im Auftrag der Regionalen Planungsgemeinschaft Ostthüringen, Erfurt 2004

6 Vgl. Martin Bauch, in: Veröffentlichungen des Leipnitz-Instituts Leipzig, 2019, Nr. nescio

7 Zitiert bei Robert Eisel: Sagenbuch des Voigtlandes, Gera 1871, Nr. 653

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