Fachliche Gegendarstellung zu den Aussagen von Tino König (CDU) zur Grundsatzentscheidung des Kreistags Saale-Orla-Kreis gegen Windkraft im Wald

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Wolfgang Kleindienst, Kreistagsmitglied UBV

 

1.Charakter des Kreistagsbeschlusses
Der am 15.12.2025 beschlossene Antrag ist eine politische Grundsatzentscheidung. Er enthält
keine rechtlich bindende Regelung, keine Enteignungstatbestände und keine Aufforderung zum
Rechtsbruch. Ziel ist die politische Interessenvertretung des Landkreises gegenüber Land, Bund und
Fachgremien.
Die Darstellung, der Beschluss sei „illiberal“ oder verstoße gegen Eigentumsrechte, ist daher
sachlich unzutreffend. Eigentum unterliegt – insbesondere im Umwelt- und Planungsrecht – stets
einer Abwägung mit Gemeinwohlbelangen.

 

2. Eigentum und Nutzung von Waldflächen
Der Antrag untersagt privaten Waldbesitzern keine Nutzung, sondern positioniert sich gegen eine
Industrialisierung des Waldes durch Großenergieanlagen. Die Entscheidung betrifft
ausschließlich die politische Haltung des Landkreises zur Flächeninanspruchnahme durch
Windenergieanlagen.

 

3. Kalamitätsflächen und ökologische Bedeutung
Die Aussage, Kalamitätsflächen seien lediglich „ehemalige Nutzholzplantagen“ ohne besonderen
Schutzwert, greift fachlich zu kurz.
Diese Flächen sind entscheidend für:
– Wiederbewaldung und natürliche Sukzession
– Stabilisierung des Wasserhaushalts
– Bodenregeneration
– Biodiversität und Klimaresilienz
Der dauerhafte infrastrukturelle Eingriff durch Windkraftanlagen steht diesen Zielen entgegen.

 

4. Flächenbedarf und Infrastrukturfolgen
Der Antrag argumentiert nicht mit einer „Vollversiegelung“ von 2,2 % der Landesfläche, sondern
mit der Gesamtwirkung der Infrastruktur:
– Rodungen und Waldverluste
– Zuwegungen und Kranstellflächen
– Kabeltrassen und Verdichtung
– Zerschneidung von Lebensräumen
– Beeinträchtigung von Erholung, Landschaftsbild und Wasserhaushalt
Diese Effekte sind unabhängig von der reinen Fundamentfläche erheblich.

 

5. Rechtlicher Rahmen
Der Beschluss fordert ausdrücklich, alle rechtlichen Möglichkeiten im bestehenden
Rechtsrahmen zu nutzen. Er verlangt weder Genehmigungsverweigerungen noch
Gesetzesverstöße. Die politische Interessenvertretung ist Kernaufgabe eines Landkreises.

 

6. Wirtschaftlichkeit und kommunale Finanzen
Die oft zitierte Wertschöpfung durch Windkraft ist kein Automatismus:
– Gewerbesteuereinnahmen werden häufig durch Umlagen neutralisiert
– Betreiberstrukturen liegen oft außerhalb der Region
– Netzengpässe führen zu Abregelungen und Systemkosten
– Rückbaukosten sind häufig unzureichend abgesichert
Ein pauschaler wirtschaftlicher Nutzen für Kommunen ist daher nicht belegbar.

 

7. Auswirkungen auf Strompreise und soziale Verantwortung
Der Ausbau der Windenergie – insbesondere an netzschwachen Standorten – ist nicht kostenneutral.
Neben Investitions- und Betriebskosten entstehen erhebliche Systemkosten, die sich unmittelbar
auf den Strompreis auswirken.
Dazu zählen insbesondere:
– Redispatch-Maßnahmen zur Netzstabilisierung, wenn Strom nicht dort verbraucht werden
kann, wo er erzeugt wird
– Abregelungen von Windkraftanlagen bei Netzüberlastung, bei denen die
Einspeisevergütung dennoch gezahlt wird
– steigende Netzentgelte, die einen wesentlichen Bestandteil des Strompreises darstellen
Diese Kosten werden nicht von Anlagenbetreibern getragen, sondern über Umlagen und
Netzentgelte auf alle Stromkunden umgelegt – private Haushalte ebenso wie Handwerksbetriebe
und Industrie.
Gerade in ländlichen Regionen mit vergleichsweise niedrigen Einkommen wirken steigende
Strompreise sozial regressiv. Haushalte mit geringem Einkommen und kleine Betriebe tragen
prozentual eine höhere Belastung, ohne proportional vom Ausbau zu profitieren.
Eine verantwortungsvolle Energiepolitik muss daher neben Ausbauzielen auch folgende Fragen
beantworten:
– Wo kann Strom tatsächlich genutzt und abtransportiert werden?
– Welche zusätzlichen Systemkosten entstehen durch weitere Anlagen?
– Wie werden soziale und wirtschaftliche Folgen für Bürger und Betriebe begrenzt?
Der Kreistagsbeschluss trägt dieser Verantwortung Rechnung, indem er eine weitere Belastung
sensibler Waldstandorte und netzschwacher Räume kritisch hinterfragt. Eine solche Abwägung
entspricht auch dem Grundverständnis sozial verantwortlicher Politik.

 

8. Fazit
Der Kreistagsbeschluss ist fachlich begründet, rechtlich zulässig und politisch legitim. Er stellt
keinen Angriff auf Eigentum dar, sondern ein klares Signal für den Schutz des Waldes und für eine
realistische, flächenschonende Energiewende.

 

Unter der Bezeichnung „Mitmachricht“ veröffentlichen wir die uns zugesandten Beiträge. Die Inhalte spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider, die Angaben erfolgen ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit.

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