Von Brigitte Richter (Thierbach)
Hilfe, so viele Patienten hier, und ich bin doch bestellt. Na das wird dauern, dachte ich. Eigentlich hab ich ja Zeit, als Rentnerin, aber für heute Abend wurde Eisregen angekündigt und es wurde schon dämmrig.
Ca. 25, meist ältere Leute, saßen in dem geschmackvoll eingerichteten Wartezimmer des sehr sympathischen, und kompetenten Internisten, mit Möbeln in rot, schwarz, grau.
Die Garderobe hing voll mit dicken Winterjacken und für meinen Anorak gab es keinen Bügel mehr. Egal, lege ich das Teil übern Stuhl.
Und ein Stuhl, zwischen zwei fülligen Menschen, war noch frei. „Darf ich mich hier mit rein quetschen?“ Nur ein kurzes „Ja“ erlaubte es mir.
Ich schaute mich um, kein bekanntes Gesicht an diesem Tag. Sonst trifft man ja beim Arzt immer mal jemand, den man kennt.
Von den 25 Patienten hatten etwa 10 ihr Handy in der Hand. Andere schauten desinteressiert in den „Spiegel“ oder in andere Illustrierte. Aber niemand redete mit seinem Stuhlnachbar.
Da tönte aus dem Lautsprecher die Stimme einer Mitarbeiterin: „Frau Meier bitte!“ Es ging relativ zügig voran. Alle schauten auf. Wer ist Frau Meier? Die Dame ging raus, alle schauten wieder in die Zeitung, aufs Handy oder stur vor sich hin.
Soll ich jetzt? Aber was soll ich sagen? Nur fremde Leute hier. Da nahm auch ich mein Handy zur Hand und schrieb meine Gedanken hinein, die ich jetzt am Computer zu Papier bringe. Einfach auch aus Langeweile.
Wie könnte man die Menschen dazu bringen, wieder miteinander zu reden, auch wenn sie sich nicht kennen? Das waren so meine Gedanken.
Und da fiel mir eine alte Geschichte ein, die ich als Kind noch erlebte, als einmal wöchentlich – zu tiefsten DDR-Zeiten – der Hausarzt Dr. Seeliger ins Dorf kam, und seine Sprechstunde abhielt.
Das Wartezimmer war auch bei ihm gerammelt voll. Die alte Berta saß mitten drin. Sie wollte auch nicht ins Sprechzimmer, als sie dran war, „Ach, ich hab Zeit, ich lasse euch den Vortritt!“
Dann sagte sie zu ihrer Bekannten neben sich: „Ich gehe jede Woche zum Doktor, lass mir was verschreiben, aber einnehmen tu ichs nicht!“
Es war die Geselligkeit, die sie suchte. Niemand daddelte am Handy, die Menschen redeten miteinander. Man erfuhr so manche Neuigkeit und mit einem kleinen Glücksgefühl gingen die Leute heim.
Der alte Hausarzt kannte seine Pappenheimer, kannte alle privaten Umstände seiner Patienten und war einer der wichtigen Menschen im Dorf, der das Leben mit Abwechslung erfüllte.
Und heute, was ist heute?
Wir bekamen die Sprache, um zu kommunizieren. Das moderne Leben und die Technik schaffen das wieder ab! Tun wir was dagegen! Reden wir wieder miteinander – das ist meine Bitte!
Ich würde ein Plakat aufhängen, wo drauf steht:
Bitte Handys in der Tasche lassen! Hier dürfen die Menschen miteinander reden!