Am Michaelistag hat man früher in einigen Gemeinden nicht gearbeitet und den Tag als ›Lichtfreier Montag‹ bezeichnet. In den Handwerksstuben wurde ab dieser Zeit wieder mit Licht gearbeitet. Die Kinder ließen an diesem Tag traditionell ihre Drachen steigen und am Abend brannten mancherorts sogenannte ›Michaelisfeuer‹. Für viele war wieder Zahltag von Steuern und Abgaben. Im Vogtland erhielt früher zu Michaelis der Leutevogt, welcher die Fröhner anzuleiten hatte, von jedem ganzen Fröhnerhof drei Bündel Flachs, von jedem halben zwei Bündel, außerdem noch eine bestimmte Anzahl Eier. Es war auch Brauch, daß er zur Kirmes von jedem Gehöft einen halben bis einen dreiviertelsten Kuchen erhielt. Im Gegenzug hat auch die Gutsherrschaft ihren Leuten eine Festlichkeit ausgerichtet. So sind für einige Rittergutsdörfer bis um 1700 noch besondere Michaelisfeste mit Tanz und Kugelspiel überliefert, an denen neben den ortsansässigen Steuerzahlern auch die verstreut in den Nachbardörfern lebenden Untertanen, die ja ohnehin auf dem Herrenhof erscheinen mußten, nach Möglichkeit teilnahmen. Das auf einer Synode im Jahr 813 von dem Frankenkönig Ludwig dem Frommen in die Woche des Festes für den heidnischen Gott Wotan gelegte Michaelsfest war seit jeher eine ausgelassene Zeit, zumal die Kirche in der Woche zuvor eine ihrer vier Fastenzeiten im Jahr angesetzt hatte.1
Mit der Reifung von Stieleicheln, Kastanien, Quitten und Wallnüssen sowie dem Verfärben der Laubblätter beginnt um diese Zeit herum der Hohe Herbst (auch Vollherbst). Auch als Lostag war Michaeli von höchster Bedeutung, ließen die Wetterverhältnisse an diesem Tage doch Rückschlüsse auf den kommenden Winter zu. So heißt es im Lichtenbrünner Kalender: »Wenn es auf Michaelis regnet, so wird vor Weihnachten kein harter Winter. – Wenn es aber zu Michaelis schön hell ist, so wird ein früher und langer Winter. – Wenn die Vögel vor Michaelis nicht stark ziehen, so wird vor Weihnachten kein harter Winter. Kommt die Reise zeitlich vor Michaelis, so kommen sie langsam nach Walpurgis. – Wenn das Laub langsam von den Bäumen fällt, so werden auf kommenden Sommer viel Raupen.«2
Über den Autor: Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Sein neuestes Buch: „Wetterextreme im Reußischen Oberland“. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen
1 Vgl. Köhler 1867, S. 178 Hugo Kogel: Weitere Nachrichten über Neunhofen, in: Unsere Heimat 1936, Nr. 31; Michels 1998, S. 174
2 Körber 1718 bei Hänsel 1926/1, S. 11