Zu den besonderen Erlebnissen in den trüben und nebeligen Herbsttagen gehörten lange Zeit die Erdäpfelfeuer. Waren die Kartoffeln aus der Erde, wurde das inzwischen vertrocknete Kartoffelkraut zu Haufen geschichtet und angezündet, worauf ein eigenartiger würziger Geruch sich über dem Land ausbreitete. Die Menschen saßen um diese Feuer und verfolgten mit ihren Blicken die knallend aufstiebenden Funken. Manchmal hatte jemand eine Mundharmonika dabei und anfangs leise, dann immer lauter werdende Lieder aus dem Volk zogen zusammen mit dem Rauch melancholisch über die Landschaft. War der Krauthaufen niedergebrannt, konnte man die Kartoffeln, die vorher ins Feuer geworfen waren, wohl geröstet aus der Glut ziehen und verzehren. Hatte jemand aus der Runde noch etwas Salz oder gar Butter dabei, war der Genuß komplett. Später wurde das Verbrennen den Kräutrichs verboten und nach dem letzten Krieg verwendete man es sogar für die Papierherstellung. Seit dieser Zeit ist der für die Kartoffelernte so typische Geruch von unseren heimischen Feldern verschwunden.1
Über den Autor: Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Sein neuestes Buch: „Wetterextreme im Reußischen Oberland“. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen
1 Vgl. Gottfried Thumser: Heiter bis Wolkig – Anekdoten und Geschichten aus dem Reußenland, Band 2, Zeulenroda 2013, S. 301f.