Von altem Brauchtum: Brauchtum im August

Facebook
Twitter
WhatsApp
Email
Telegram

Anfang August, in der Zeit vermehrter Sonnenflecken, Meteoritenschwärme und Magnetstürme erreicht die Intensität der Sonnenenergie ihr Jahreshoch. Die in katholischen Gegenden noch heute als ›Maria Schnee‹ [5. August] bzw. ›Maria Himmelfahrt‹ [15. August] begangenen Marienfeste gehen wohl auf keltische Vorläufer, wie das nicht christianisierbare und daher als Unglücktag und Gedenktag an Luzifers Engelsfall verfehmte Hochfest Lugnasad, die Hochzeit des Lichtes [1. August], zurück. Die ehemalige Wallfahrtskapelle ›Unser Lieben Frau‹ zu Zella bei Ranis hatte in vorreformatorischer Zeit am 8. August zahlreiche Pilger, selbst aus dem Oberland, angelockt. Vornehmlich wurde darum gebeten, der letzten Reife des Korns den notwendigen Schutz vor der Augusthitze bzw. den damit verbundenen Hagelunwettern zu verleihen.

Im ›August – gibt Brückner in seiner Landes- und Volkskunde das oberländische Sprichwort wieder – vom Bauern ¾ ins Kornfeld, ¼ ins Haus fällt‹. Um den Segen für die bevorstehende Kornernte zu erbitten, hielten auch in protestantischen Gegenden manche Kirchgemeinden [so in Möschlitz und Neundorf] besondere Erntebetstunden ab. Denn vom Werden und Gedeihen der Körnerfrüchte hing es ab, ob der Bauer seine Steuern bezahlen konnte und im Winter über genügend Getreide zum Brotbacken verfügte. So war selbst das Kornschneiden mit allerhand Aberglauben verbunden, zumal es oft genug schon vorgekommen war, daß das goldgereifte Getreide noch am Tage vor Erntebeginn durch Hagel vernichtet wurde oder der Blitz in die gerade vollgefüllten Scheuer einschlug. Daß – wie heutzutage von einigen Agrarbetrieben – Korn in besonderen Anlagen zu Heizzwecken verbrannt wird, wäre den Altvorderen, die mit einer statistischen Häufigkeit von 4-6 Jahren eine schwere Mißernte überstehen mußten, als schwere Sünde erschienen, die unabänderlich das Strafgericht Gottes aufsichgezogen hätte.

Um die Getreideernte nicht zu gefährden, begann das Schneiden oder Hauen nie an einem Montag. Mußte es doch geschehen, so schnitt man bereits am Sonnabend zuvor einige Reihen Ähren ab. Die ersten Ähren wurden kreuzweise und einwärts zum Schutze gegen den Bilmesschneider und gegen sonstige Schäden, öfters auch vier Garben als Vertreter der nächsten vier Vierteljahre bis zum Schluß der Ernte hingelegt, um aus der Garbe mit den meisten Insekten das Vierteljahr mit dem höchsten Getreidepreis zu erkennen. Den Bauern- bzw. Rittergutsbesitzer, wenn er nach Beginn der Ernte zum ersten Male auf das Feld kam, banden hie und da die Arbeiter mit Ähren um den Arm und mit einem Liedchen:

›Ich bind´ dich an mit Ähren,
Du darfst´s mir nicht verwehren!
Ich bind dich an Leib und Treu,
´Das Trinkgeld wird das beste sein!‹

Oder auch:
›Ich bind dich an mit Gersten,
Du weißt es, daß wir dörsten!‹

Der Angebunden mußte sich sodann mit Geld oder starken Getränken lösen. Z. B. wurde auch auf dem Rittergut Knau bei Erntebeginn in Anwesenheit des Gutsherrn und dessen Verwalters ein Strauß gegen eine Spende angebunden.1

Im Oberland – insbesondere in der Herrschaft Burgk – hat sich die Sage vom Roggenwolf erhalten, der im Kornfeld stecke, weshalb sich die Kinder hineinzugehen fürchteten. Man sieht diese Gestalt im Getreide gehen, wenn es im Winde Wellen schlägt. Zur Erntezeit bereitet der Roggenwolf den Schnittern schwere Zufälle und spielt ihnen allerlei Schabernack. Besonders gerne frißt er ihnen die Frühstücks- oder Vesperbrote weg. Wenn nun trotz allem die Ernte ihrem Ende naht, das letzte Feld in Angriff genommen, ›der Wolf also in die Enge getrieben‹ war, galt es vielerorts in Thüringen als selbstverständlich, ›Wodens Gaul‹, die letzten Garben, stehen zu lassen. Versinnbildlicht wird hier der Geist der Fruchtbarkeit in die letzten Halme getrieben. Um ihn nicht zu zerstören, wurden auch einige Halme stehen gelassen. Das Korn aus der letzten Garbe verwandte man für die Aussaat im neuen Jahr. Diese zumeist besonders groß gestaltete, geschmückte, teilweise auch bekleidete Stammgarbe bezeichnete man andernorts auch als ›Erntebock‹. Sie war der Inbegriff der Fruchtbarkeit und wurde bei den nun beginnenden Erntedankfeierlichkeiten besungen und umtanzt. In diesem Zusammenhang begegnen uns in Niedersachsen und Thüringen auch die ›Empfänger‹ dieser Opfergabe, ›der alte Mann‹ [Wotan] oder ›die gute Frau‹ [Berchta, Werre].

Das inzwischen auf den ersten Sonntag im Oktober verlegte Erntedankfest richtete sich ursprünglich rein nach der Körnerernte. Die niedriger gelegenen Orte machten den Anfang, die höhergelegenen zogen nach. So begannen im rechtssaalischen Teil des Amtes Burgk Neundorf, Pahnstangen und Plothen, ihnen folgte Möschlitz und Crispendorf, das auf die Erntearbeiten der Rittergüter Rücksicht nehmen mußte, bildete in der Regel das Schlußlicht.2

»Unter dem Geläute der Glocken wurde der erste Erntewagen mit der Erntekrone, in Begleitung des Geistlichen, des Lehrers mit seinen Schulkindern und den erwachsenen Mädchen auf den Dorfplatz (in den Städten auf den Markt gefahren); die Knaben mit ihren Fahnen, die kleinen Mädchen mit Kränzen auf dem Kopf und an Stäben zogen voran und die Jungfrauen mit Sicheln in der Hand umschlossen den Wagen, der mit Girlanden und Kränzen geschmückt war. Der Pfarrer trat hervor und hielt eine Rede, dankte dem Herrn und lobte dessen Güte, daß man einer so gesegneten Ernte hatte entgegenblicken könne. Danach sang man einen Choral, oftmals das Lied: ›Nun danket alle Gott‹. Zum Schluß kamen die Girlanden und eine Korngarbe in die Kirche und man zog in alter Ordnung wieder zu den Geschäften zurück.«3 Später hielt der Pfarrer noch einen Dankgottesdienst, den Erntedank, bei dem die Kirche festlich geschmückt war. Die dazu gebundenen Erntekränze mußten alle Getreidearten beinhalten. Am Kircheingang stellte man zudem Fichten auf.4

»Nach Abschluss der Ernte erhalten z.B. in Oettersdorf Magd und Knecht ein Erntegeschenk, z.B. Bettwäsche und neue Stiefel. … Am Abend des Erntedankfestes fand im Gasthaus Tanz statt für Jung und Alt. Es wurde für diesen Tag auch Kuchen aus Weizenmehl gebacken.«5

Während das feierlichen Begrüßen des ersten Erntewagens und der anschließende Dankesgottesdienst noch um das Jahr 1860 in faktisch jedem Dorf obligatorisch waren, begann ihre Bedeutung im Zuge des Aufschwungs moderner landwirtschaftlicher Methoden im weiteren Verlauf des Jahrhunderts zu verblassen, so daß bereits um das Jahr 1900 die vorgenannten Erntebetstunden kaum noch besucht waren.

Die Frei-Nacht der Schäfer

Im August spürt man das Kürzerwerden der Tage. Die Erntezeit ist heran, der dunkle Teil des Jahres kommt immer näher. Am Bartholomäustag [24. August] beginnt der bäuerliche Herbst mit großer Bedeutung für die Landwirtschaft, nicht nur als Lostag für Ernte und Wetter: ›Wenn es wittert auf Bartholomäi, so soll es meist den Herbst durch wittern‹, heißt es dazu im Lichtenbrünner Kalender. Heute darf niemand in ein Krautfeld gehen, weil sonst Barthel, der an diesem Tage die ›Häder‹ [Köpfe] des Krauts fest macht, sonst verjagt würde. Überhaupt gilt für den Krautbau die Regel: ›Jacobi wirft sie, Barthel drückt sie, Michel nimmt sie [die Krautshäupter]!‹ Auch der Kartoffelanbau folgte seinem dreiteiligen Gesetz: ›zu Jacobi gegriffen, zu Laurentii [10. August] probiert und zu Bartholomäi nimmt man die Hacke‹.

Bartholomäi bzw. Alt-Bartholomäi [dem julianischen Kalender zufolge 11 Tage früher] galt als Jahresfesttag der Schäfer und Hirten, weil da die jährliche Haupthütesaison endete. In einer Prozession zogen sie nun mit Blasmusik voran zunächst zu einem Festgottesdienst, möglichst in eine Wolfgangskapelle. Anschließend feierten sie – ursprünglich an einem Tanzort [wie bei den Tanzteichen bei Weisbach bzw. Wilhelmsdorf, bei den Katzentanzplätzen bei Altenbeuthen, Munschwitz oder Zoppoten, im Paskaer Wuddel oder auf dem ›Tanzboden‹, einem runden erhöhten Rasenplatz, in der Mutsche bei Drognitz] ausgelassen ihre Freie Nacht. Später begingen die jeweils umwohnenden Schäfer ihre Freinacht in einer der zahlreichen Großschäfereien – wie Dürrenhof [bei Oberböhmsdorf]; Göritz [an der Flurgrenze nach Frössen], Harra [oberhalb vom Orte], Kalte Schäferei [bei Oschitz], Kleingeschwenda, Lohbühl [bei Venzka], Schilbach, auf der Sophienhöhe [bei Frankendorf], Sorga [bei Burgk] oder Thierbach – und in den letzten Jahrzehnten des Bestehens dieses Brauchs in einem eigens dafür angemieteten Wirtshaus-Saal.

Die Wiesenfeste

Waren Korn und Grummet eingefahren, die Kartoffel- bzw. Hackfruchternte aber noch nicht heran, so vergnügte sich das Landvolk an den Sonntagen Ende August/ Anfang September gern auf den Schützenfesten, wie sie in beinahe allen Städten und Marktflecken stattfanden – so auch auf dem Hirschberger Wiesenfest, einem der größten Volksfeste des Oberlandes.6 Entstanden ist das Wiesenfest im Jahre 1852, als man den als nicht mehr zeitgemäß empfundenen Fastnachtstanz der Hirschberger Schulkinder in den August und auf die grüne Wiese legte, um die Schüler mit einem Volksfest zu Fleiß und Anständigkeit zu ermutigen. Ursprünglich Ende August oder Anfang September gefeiert, wurde es 1921 auf den Juli gelegt. Das Fest beginnt an einem Sonntag, wird am Montag fortgeführt und am darauffolgenden Sonntag beendet. Die Festvorbereitungen traf ein besonderes Wiesenkomitee, welches ursprünglich aus dem Pfarrer, dem Schulrekor, dem Lehrerkollegium sowie 15 Bürgern ›aus allen Schichten der Stadtbevölkerung‹ bestand. Den Vorsitz führte zunächst der Rektor, später der Bürgermeister. Seine Höhepunkte fand das Fest in einem großen Umzug, dem ›Tanz auf der Bruck‹, und besonderen Frei- und Turnübungen, an denen manchmal 300 Kinder und mehr teilnahmen. In den Zeiten der beiden Weltkriege ruhte das Wiesenfest jeweils. Auch 1952 wurde es auf einmal unter Bezugnahme auf die nahe, kaum 500 m entfernte bayerische Grenze abgesagt. Die Hirschberger glaubten zunächst an eine vorbeigehende Zwangspause, doch am Ende sollten beinahe 30 Jahre daraus werden. Überbrückt wurde diese Zeit mit Wohngebiets-, Garten- und Winkelfesten, Kirmestänzen und besonderen Sommerfesten, die mit der Zeit größer und größer wurden, bis sie 1979 wieder ein beinahe volksfestartiges Niveau erreichten. Im Jahre 1982 scheiterte der Aufbau des Riesenrades beinahe, weil die Schausteller keine Einreisegenehmigung ins Grenzgebiet erhielten. Ebenso mangelte es aus diesem Grund zunächst auch an auswärtigen Besuchern. Dennoch kann man das Sommerfest von 1982 als Wiedergeburt des Wiesenfestes betrachten, auch wenn es 1984 aufgrund der nach Hirschberg gezogenen Arbeiterfestspiele des Bezirkes Gera wieder zurückgesetzt wurde, worauf man im Folgejahr ein viertes Sommerfest feierte. Erst seit 1990 kann das Wiesenfest wieder unbegrenzt begangen und genossen werden.7

Über den Autor: Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Sein neuestes Buch: „Wetterextreme im Reußischen Oberland“. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen


1 Vgl. Brückner 1870, S. 185; Braune 2013, S. 104f.
2 Vgl. Mendner 1916, S. 12
3 Nach Bruno Behr, in: Oberlandhefte 1932, Heft 6, S. 112
4 Vgl. ebenda; Remane 1957, S. 41
5 Braune 2013, S. 105
6 Vgl. Brückner 1870, S. 190
7 Vgl. ebenda; Fritz Haardt: Zum 75jährigen Jubiläum des Hirschberger Wiesenfestes, in:Oberlandhefte 1927, Heft 4, S. 56f.; Ulricke Leue: ›Bei Bratwurst, Bier und Festgenuß‹ – Zur Geschichte des Hirschberger Wiesenfestes, in: Heimatjahrbuch des Saale-Orla-Kreises 2003, S. 108-115.

Ihnen gefällt unsere Arbeit? Unterstützen Sie HalloOberland mit einer PayPal-Spende und tragen Sie so zur Meinungsvielfalt in unserer Region bei. Vielen Dank!

Veranstaltungen

Meistgelesen