In meinem Hof, vorm alten Bauernhaus,
steht ein hundert Jahre alter Lindenbaum.
Manchmal wird er mir zum Graus,
Generationen durften seinem Werden schaun.
Mein Opa pflanze das Bäumchen ein,
für seinen erstgeborenen Sohn.
Beide waren noch schwach und klein,
doch kräftig wuchs der Baum empor.
Auch der Sohn wurde ein Mann,
stark und klug und liebenswert.
Aber dann kam an die Macht heran,
Einer, der das Gute ins Gegenteil gekehrt.
Er holte all die jungen Männer bald
in einen unsinnigen Krieg.
19 Jahre wurde Erich grad mal alt,
er glaubte an der Deutschen Sieg.
Mit dem Brief, in Omas zitternder Hand,
den Blick gerichtet zur starken Linde.
Ihr Sohn: „Gefallen für das Vaterland!“
Ein Herz schnitzte sie in des Baumes Rinde.
Muss ich auch ständig Blätter kehren,
Lindenblüten die den Hof verschmutzen,
dann denk ich an den jungen Mann,
an unsinnige Kriege, die keinem nutzen.
Er war mein Onkel, hab ihn nie gesehen,
Heute gehör ich selber zu den Alten.
Hoffe, dass meine Kinder niemals im Leben,
einen solchen Brief in den Händen halten.
Ich hadere nicht mehr mit dem Dreck,
den der Baum mir täglich neu beschert.
Denk an den jungen Erich, kehr den Schmutz gern weg,
weil der Baum sein junges Leben ehrt.
Für meine Großeltern war das bitter und hart.
„Nie wieder Krieg!“ sagte danach Jedermann!
Ihr Sohn fiel im Kessel von Stalingrad.
…Nun schaut euch die Welt von heute an!
Brigitte Richter, Thierbach