„Nicht wir ringen mit der Vergangenheit, die Vergangenheit ringt mit uns“
Vergangenheit – wir alle haben eine, tragen sie auf der Zunge oder unter der Haut, eingeschrieben in unser Gedächtnis, nicht immer willkommen, manchmal Freund, manchmal Feind. Ganz klar ist das auch bei Jürgen K. Hultenreich nicht.
Der Schriftsteller und bildende Künstler wurde 1948 in Erfurt geboren. Er absolvierte eine Lehre als Gebrauchswerber, später ein Fachschulstudium für Bibliothekswesen in Leipzig. Er war Jugend-DDR-Meister im Hochsprung, Erfurter Schach-Stadtmeister und 1996 auch Berliner Schach-A‑Meister. Mitte der 1960er Jahre wurde Jürgen K. Hultenreich nach einem illegalen Grenzübertritt in der ČSSR verhaftet und verbrachte ein halbes Jahr in Untersuchungshaft der Staatssicherheit, mit zeitweiliger Internierung in der Psychiatrischen Klinik Pfafferode bei Mühlhausen. Anschließend war er Gelegenheitsarbeiter und als Berufsmusiker Bassist in der Modern Blues Band. Seit 1985 lebt er in Berlin Wedding als freischaffender Schriftsteller und bildender Künstler. 1990 wurde Jürgen Hultenreich mit dem Marburger Literaturpreis ausgezeichnet. 2006 erhielt er das Stipendium Künstlerhaus Edenkoben. 2018 erschien seine vielbeachtete poetische Biographie »Hölderlin – Das halbe Leben“.
Bereits 1985, wenige Monate nach der Ausreise in den Westen, erschien Hultenreichs erstes Buch: der Gedichtband „Langsam rückwärts ist eine kräftige Gangart“. Es folgten u. a. der poetische Reiseführer „Mein Erfurt“ (Ullstein, 1994), „Die 748-Schritte-Reise“ (1996), „Die Entfernung der Nähe“ (1997) und „Zerbrochene Krüge“ (1998). Mit seinem 2001 erschienenen Roman „Die Schillergruft“ gelingt Jürgen K. Hultenreich einer der bedeutendsten Romane über die DDR-Gesellschaft. Auch in der Edition „Im Koffer nur Steine“ (gemeinsam mit Hans Hendrik Grimmling, Mariannenpresse 2004) geht er der Frage Vergangenheit – Zukunft nach: Was nimmt man mit, wenn man drei Jahre gewartet hat und in drei Stunden ausreisen soll? Georg Hull – sein alter ego – packt seinen Koffer voll Steine – schwer wie ein ganzes Leben in einem halben Land…
Immer wieder spielen seine Erzählungen im Erfurter Milieu, nimmt Hultenreich den Erzählfaden seiner Erfurter Nachkriegskindheit und seiner Jugend auf und zeigt Erfurt in einem literarisch wenig bekannten Licht, so vor allem im Band »Westausgang. 64 Stories« aus dem Jahr 2005.
Auf Schloß Burgk wird seit dem 15. Mai Jürgen K. Hultenreichs bildnerisches Schaffen in der Ausstellung „Dein Ritter Hultenreich“ vorgestellt, am Samstag, 16. Juli, wird er um 18 Uhr auf Schloß Burgk aus den Büchern »Westausgang. 64 Stories« und „Ziele stehen im Weg: Aphorismen“ lesen.
Begleitet wird Jürgen K. Hultenreich von Matthias von Hintzenstern am Cello. Hintzenstern, 1953 in Eisenach geboren, ist Mitbegründer des „Ensembles für intuitive Musik“, Weimar (EFIM). Gastspiele führten ihn mit dem Ensemble in 33 Länder Europas, Asiens, Nord- und Südamerikas. Als Solist arbeitete Matthias von Hintzenstern mit den Schriftstellern Ernst Jandl, Reiner Kunze, Friederike Mayröcker, Ruth Weiss (U.S.A.) und Jan Wagner (Büchnerpreisträger 2017) zusammen.
Die Lesung mit Jürgen K. Hultenreich, begleitet von Matthias von Hintzenstern, beginnt 18 Uhr. Der Eintritt zum Konzert beträgt: 6 € inkl. Museumseintritt, Schüler frei. Kartenvorbestellungen sind unter Tel.: 03663 400119 und E-Mail: museum@schloss-burgk.de möglich.
Bild: Jürgen K. Hultenreich / Foto HUL