Von altem Brauchtum: Schlachtfest

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Weitere wichtige Termine in der Vorweihnachtszeit waren die zumeist Anfang Dezember stattfindenden Schlachtfeste. Am Vorabend des Schlachtens ging mancher Bauer zu der dafür ausgewählten Sau und säuselte ihr leise ins Ort, daß es morgen soweit sei. Damit hatte er in gewisser Weise ihr Einverständnis geholt und das Tier ließ es am nächsten Morgen umso ruhiger mit sich geschehen. Der Hausschlächter kam, später der Fleischbeschauer und die Arbeit nahm ihren Gang. Siefried Leiner aus Pottiga erinnert sich, wie er als Junge beim ›Totmachen‹ immer ein Kreuz vor dem Kopf der Sau machen mußte, damit es sich leichter schlachten ließ. Beim Ausnehmen des Schlachttiers lobte mancher Bauer dann: ›Du bist aber schön fett geworden, du hast aber eine schöne Leber‹ etc. Daß Fleisch, auf solche Weise gewonnen, eine bessere Qualität haben muß, wie das hormon- und medikamentenverseuchte aus der Massentierhaltung, versteht sich von selbst.
Oft waren Verwandte oder Nachbarn zur ›Unterstützung‹ geladen und etliche Korn oder ›Braune‹ machten die Runde. Nach dem Zerlegen drehte man das Fleisch durch den Wolf und befüllte die Würste, die dann zumeist im Waschkessel gekocht wurden. Das beliebteste Schlachteessen war Wellfleisch mit Niere, Sauerkraut und Kartoffeln. Weil Innereien bis zu 20-mal cholesterinreicher sind wie Fleisch, mußte man dabei gewisse Vorsicht walten lassen und schon mancher hat sich beim Wellfleischessen buchstäblich totgegessen. War die Wurst aus dem Kessel, schickte man die Kinder zum Wurstsuppeaustragen und auch Freunde, Nachbarn und nicht zuletzt der Schulmeister erhielten ein Wurstpaket. ›Danke‹ sollen die mit Wurst und Suppe Beschenkten keinesfalls sagen, auch dürfen sie die Kanne oder den Krug nicht ausgewaschen zurückgeben. Die Wurstsuppe – mal mit Nudeln, mal mit Brot oder Semmeln gegessen – ist, je nachdem wieviele Würste beim Kochen zerplatzt sind oder hinterher noch mit Wasser verdünnt wurde, eine echte Spezialität.
Zuletzt wurde der Schweinerücken in Scheiben, in sogenannte ›Rückbeenle‹ gehauen, die eingepöckelt und dann gebraten mit Thüringer Klößen und Meerrettich gegessen wurden. In beinahe allen Orten war es früher üblich, daß am Abend vermummte Dorfbewohner [meist Nachbarn] zum ›Wurstbetteln‹ kamen. Dazu steckten sie Spieße herein, an die dann eine Wurst gehängt werden mußte. Manchmal klebten Zettel mit Reimen daran wie: ›Der Fleischer ist ein armer Tropf, er sticht die Sau gar in den Kopf!‹ [Pottiga] oder: ›Ich hob gehärt, ihr hobt geschlacht, hobt aus der Sa gruß und kleene Würscht gemacht. De Grußen gabt dr mir, die Kleenen behaltar ihr!‹1 [Oberpöllnitz]. In Gössitz hatte man zu diesem Zweck besondere ›Schlenkerwürste‹, aus je einem kleinen Ring Leberwurst, kräftig gewürzt und mit viel Majoran, gemacht. Oftmals wurde mehrmals im Jahr geschlachtet, gewöhnlich noch einmal im Mai.2


Auszug aus: Alexander Blöthner: Magische Augenblicke – Jahreskalender 2022 mit allen wichtigen Monats-, Tages- und
Stundenenergien unter dem Einfluß der Gestirne – Mit den Glückstagen, Lostagen, Schwendtagen, Portaltagen,
bedeutenden mittelalterlichen Tagesheiligen als Christlicher, Altrömischer, Germanischer, Altslawischer und
Keltischer Kalender mit Brauchtum und Festen im Wandel der Jahreszeiten mit Beschreibung und Anleitung,
Norderstedt 2021


Über den Autor
Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen

1 Zitiert bei Wolfgang Schuster, zur Geschichte von Oberpöllnitz, in: oberpoellnitz.de (4/05, 01/06)
2 Vgl. ebenda; A: Von Sitten und Gebräuchen aus Altengesees, Langgrün, Mödlareuth Neundorf [b. Schleiz], Pahnstangen, Potttiga, Wernsdorf u.a., in: Jugendgarten – Beilage zu ›Unser Oberland‹ (Oberlandhefte), Nr. 1-4 (1927); Remane: Weira 1957; Blöthner: Gössitz 2008.

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