Von Altem Brauchtum: Winterliche Innenarbeiten abends in der Stube

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Nicht erst zum Andreasabende mancherorts auch schon zu Kathrein begann die Zeit der winterlichen Innenarbeiten, die vor dem Aufkommen der Petroleumlampe am Abend nur mit Kienspan und Bogenlicht recht spärlich beleuchtet wurde. Dazu holten die Frauen ihre ›Brummesel‹ [Spinnräder] vom Boden und begannen mit dem Verspinnen von Flachs zu verwebbaren Fäden, während Stricken, Häckeln und Kloppeln schon zu ihren Freizeitbeschäftigungen gehörten. Die Kinder machten sich nützlich oder gaben sich uralten Spielen hin. Dabei lauschten sie den alten Geschichten, die ihre Großmutter zum Besten zu geben wußte. In vielen Stuben stand zudem ein zuletzt vom Großvater noch betriebener Webstuhl, um das eigene Garn zu Stoffwänden, sogenanntem ›Zeug‹ zu verweben. Der Hausvater hingegen werkelte und reparierte das zerbrochene Haushalts- und Arbeitsgerät vom Rechenzinken bis hin zur Besohlung von Schuhen. Mitunter wurde auch die Drechselbank in die Stube geholt und fortan mit solcher Inbrunst gesägt, gefeilt und gehobelt, das manches gefertigte Gerät hinterher nicht mehr durch die Stubentüre paßte und wieder zerlegt werden mußte. Auf diese Weise lag die Stube jeden Abend voller Späne, Wollreste und sonstiger Hinterlassenschaften, bis nach Lichtmeß die Außenarbeit auf dem Höfen wieder begann und die winterliche Heimproduktion vorübergehend ihr Ende fand.


Bild: Bauernstube in Raila / Bruno Behr – Unser Oberland 1927

Über den Autor: Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Sein neuestes Buch: „Wetterextreme im Reußischen Oberland“. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen

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