Von altem Brauchtum: Walpurgisnacht – Hexenfeuer

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Der Abend der Heiligen Walburga steht unzweifelhaft im Zeichen des vorchristlichen Sommerbeginns, der ursprünglich wohl in der Nacht des zweiten Frühlingsvollmondes gefeiert wurde, soweit dessen Licht schon in den blühenden Weißdorn fiel. Als vielleicht ältestes Mysterium überhaupt wurde hierbei der Vereinigung von Himmel und Erde zwecks Hervorbringung neuer Vegetation gedacht. Junge Burschen feierten mit ihren Mädchen ›das Brautlager im Saatfelde‹, übernachteten im Freien, ›badeten‹ frühmorgens im Maientau der Wiesen, und kehrten dann mit Zweigen bekränzt heim. »Es fand eine Paarung statt, die in Ana­logie die Befruchtung der Äcker bewirken sollte. … In dieser Nacht eröffnete sich die Fülle des transzen­denten ›Heils‹, das sich wunderbar anzeigte, wie unser Volksglau­be noch weiß: Unterirdische Schätze stiegen hoch und glühten, Brunnen gaben Wein statt Wasser, Weidenzweige wurden zu Wünschelruten.«1 Alles heidnische Brauchtum in dieser Nacht diente irgendwie der Fruchtbarkeit und hatte unverkennbar sexuellen Charakter. Das ist auch der Grund, warum die Kirche das oft an Walburgen und alten Fest- und Tanzorten abgehaltene Fest in keinen christlichen Kontext zu stellen wagte und es – auf den 30. April fixiert – der Heiligen Walburga, der historisch nicht belegbaren Schwester des sauertöpfischen Missionars Bonifatius, Apostel der Hessen und Thüringer, anheimstellte. So verkehrten die Priester Walpurgis satanisch um zu einer schlimmen Hexennacht, in der die Hexen ausflögen und an verborgenen Orten zusammenkämen, um im Beisein des Teufels einander zu wetteifern, welche das größere Unheil über Gottes Schöpfung gebracht habe. Auch führten sie dort ihre wilden Hexentänze auf und treiben noch allerlei Unfug und Schabernack. Wehe denen, die ihnen bei ihren Ausflügen in die Quere kamen. Aus diesem Grund wurde es für notwendig erachtet, das Vieh in den Ställen, ja das Haus selbst vor den Hexen zu schützen. Daher wurden Frauen, die zu Walpurgis einen fremden Hof aufsuchten nicht gern gesehen. Zum Schutz steckte man nach dem Abfüttern [das Vieh bekam an diesem Abend neunerlei Gras zu fressen, damit es gesund blieb] Kreuzdornzweige an die Wände, verriegelte jede Stalltür und malte darüber mit Kreide drei Kreuze. Wer aber ganz sicher gehen wollte, der legte noch zwei gekreuzte Besen davor oder einen Rasenbrocken. Denn wenn die Hexe kommt, so muß sie erst das Gras zählen. Dabei wird sie irre und wird aufgehalten, daß sie nicht in den Stall kann. Den besten Schutz vor den Hexen bieten aber Teiche, Quellen und Fließgewässer, weil das Plätschern des Wassers den Hexenspuk bannen soll.

Hexenvertreiben und Hexenfeuer

Überhaupt wurden zu Walpurgis traditionell die Hexen ausgeschossen. Jeder Einwohner, der eine Flinte besaß, ging hinaus und schoß in die Luft. Um die Hexen zu vertreiben, damit sie nicht ins Dorf kommen sollten, zog die Dorfjugend unter Jauchzen, Schießen, Peitschenknallen und unter dem Schwenken brennender Besen in der Luft an hochgelegene Stellen, zu den verschiedenen ›Brocken‹ der Umgegend – man denke hierbei an die Brandkiefern bei Lothra, den Rittersbühl bei Oschitz, die Hohe Tann [kelt.: Teinen → Feuer] bei Linda oder die Stelzenhöhe bei Stelzen. Dort wurde und wird zum Teil noch heute ein alter Besen mit Stroh umkleidet und als Sinnbild der Hexe in einem großen Feuer verbrannt. Lustiges Treiben, oft mit Bierausschank und Rostbratwürsten, spielte und spielt sich darum ab.2

Eine Erzählung aus den Oberlandheften schildert den Brauch recht anschaulich: »Die Dämmerung sinkt hernieder. Da öffnet sich ein Tor und dort ein Pförtchen und junge Burschen treten mit Peitschen heraus. Nun beginnt ein tolles Klatschen. In jedem Winkel, jedem Gäßchen knallt eine Peitsche. … Da sammeln sich die jungen ›Teufelsaustreiber‹ eben vor einem Hause, von dem man schon lange gemunkelt hat, daß die alte Frau, vielleicht die alte Großmutter, eine Hexe sei. Mit lautem Schreien geht nun hier erst recht das wilde Klatschen wieder los. Wütend jagt der Hausbesitzer die junge Schar davon, aber bald fängt das Johlen und Lärmen wieder von neuem an. Allmählich wirds dunkler und das Getöse ebbt langsam ab. Nur noch einzelne Peitschen knallen, dann schweigen auch diese. Nun beginnt ein anderes Treiben. Auf einer Anhöhe werden Holzscheite und Reißigbündel zusammengetragen und zu einem Stoß aufgeschichtet. Bald züngeln die Flammen empor. Die jungen Burschen und Mädchen tauchen alte Besen in die Glut und schwingen sie im Kreise durch die Luft. Das Verbrennen der alten Besen soll die Vernichtung der Hexen andeuten. [Das Drehen der brennenden Besen in der Luft erinnert jedoch auch an die Feuerräder der Altvorderen, denen sie als Sonnensinnbilder galten.] Man springt öfters durch die Flammen hindurch, um sich von dem heiligen Walpurgisfeuer reinigen zu lassen. Dann tanzt man um den brennenden Stoß und alte Volksweisen erklingen, bis die Flammen allmählich erlöschen und der Wind die Funken dahintreibt. Von der Asche nimmt sich jedes eine Handvoll mit, gräbt sie zu Hause in den Stall ein und bedeckt sie mit einem Kieselstein oder einem Rasenstück. …

Daneben finden sich auch Bräuche, die dazu dienen, die Felder vor den Unholden zu schützen. Am Walpurgistage früh gegen fünf oder sechs Uhr, wenn sich Tag und Nacht scheiden, gräbt man an jeder Ecke des Feldes ein Kreuzzeichen in die Erde und man schießt mit dem Gewehr über die jungen Saaten hinweg, um einmal die Hexen, das andere Mal den ›Binsenschnitter‹ [Bilmschneider] zu vertreiben oder fernzuhalten. Gegen den Binsenschnitter wendet man auch noch ein anderes Mittel an: Wenn zu Walpurgis Dünger gefahren wird, so steckt man den alten Besen, mit dem meistens der Wagen abgekehrt wird, verkehrt, d. h. mit dem Stiele nach unten, in die Erde. Das soll den habgierigen ›Binsenschnitter‹ vertreiben.«3

Für viele Steuerzahler war heute wieder halbjährlicher Zahltag. Indem sie nun wußten, was von den Früchten ihrer Arbeit übrig war, veranstaltete sie dies mitunter eine familiäre Schmauserei.

Auf wachstumsanzeigende Naturerscheinungen wurde um diese Zeit gleichsam vermehrt geachtet: »Solange die Frösche vor Walpurgis schreien, solange schweigen sie (wegen der Nachtfröste) nach Walpurgis wieder still. …Wenn zu Walpurgis sich eine Krähe im Korn verbergen kann, soll ein gutes Getreidejahr zu hoffen sein. – Arme Walpere, reicher Johannes: Wenn zu Walpurgis die Wiesen noch nicht sonderlich Gras haben, so kommt zu Johannis desto mehr Gras – und im Gegenteil: Reiche Walpere, armer Johannis.«4 Sogar hier, in den oberländischen Wetterregeln, hat sich die Verbindung zwischen Walpurgis und der Fruchtbarkeit, dem Grünen und dem Blühen der Pflanzen, noch erhalten.5

Über den Autor
Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen

1 Vgl. Resch-Rauter 2006, S. 341
2 Vgl. ebenda; Behr 1927, S. 69; Oberlandhefte 1927/3, S. 22, 24; Wolfgang Schuster, zur Geschichte von Oberpöllnitz (4/2005, 01/2006), in: www.oberpoellnitz.de
3 W.N.: Walpurgis, in: Oberlandhefte 1925, Heft 2, S. 11ff.
4 Hänsel 1926/1, S. 10
5 W.N. 1925/2, S. 11

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