Von Altem Brauchtum: Vom Dreschen

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Waren die Feld- und Außenarbeiten abgeschlossen, wurde mitunter bis weit in den Winter hinein das Getreide per Hand reine ausgedroschen. Dazu schlugen mehrere Personen mit besonderen Dreschflegeln nacheinander im bestimmten Takt auf die zu diesem Zwecke auf der Scheunentenne ausgebreiteten Garben. Indem diese Arbeit sehr zeitintensiv war, beschäftigten selbst die kleineren Bauernhöfe während dieser Zeit Tagelöhner – ungeachtet der Schwere der Arbeit oft Frauen. Mitunter waren die Drescher auch Wanderarbeiter, für die auf den Rittergütern dann besondere Drescherhäuser zur Verfügung standen. Die Drescherkost war – der vorweihnachtlichen Fastenzeit wegen – ursprünglich eine geringe. Neben dem obligatorischen Dünnbier gab es Polse zu essen, eine ursprünglich aus Mehl und Milch, später aus Mehl und gekochten Kartoffeln jedenfalls ohne Eier bereitete Pfannenspeise.

Beim Dreschen wird – wie für das Oberland überliefert – der Schluß zu einem neckischen Wettkampf: »Wer beim Ausdrusche der letzten Garben den letzten Schlag tut, hat die sogenannte ›Alte‹ oder ›Schoote‹. Ihm wird das zuletzt gedroschene Stroh auf den Rücken gebunden, wovon er sich mit Schnaps zu lösen hat.«1

Ab den letzten Viertel des 19. Jahrhunderts erledigte dann die Dreschmaschine die schwere Handarbeit. Dazu bildeten sich sogenannten Dreschgemeinschaften heraus, deren Mitglieder sich gemeinsam diese teure Technik anschafften. Diese bestand aus einer fahrbaren Dreschmaschine [dem Dreschsatz], einer Dampfmaschine [Lokomobil] und mitunter noch aus einem Wasserwagen und einer Strohpresse, wobei die Kraftübertragung über Riemen erfolgte. Beim Maschinenrücken zogen dann vier, bei Anstiegen sechs Pferde das überschwere Gefährt von Hof zu Hof, von Ort zu Ort, da in den kleinen Dörfern des Oberlandes sich in der Regel mehrere Orte zu einer solchen Dreschgemeinschaften verbunden hatten, während in den größeren Dörfern meist zwei Genossenschaften mit verschieden großen Dreschsätzen jeweils für die kleinen und die großen Bauern existierten. Das meist aus drei Mann bestehende Maschinistenteam rekrutierten sich gemeinhin aus den Handwerkern des Ortes. Um das Jahr 1890 brachte ein Druschtag einen Maschinisten bei freier Kost etwa 2,50 Mark ein. Das Dreschen selbst war im Ort immer ein besonderes Erlebnis. »Ringsum standen Zuschauer, inbesondere Kinder, die den Dampfkessel mit dem langen Treibriemen bewunderten. Das Einfüllen des Getreides und das Abtragen der vollen Getreidesäcke waren schwer, doch gab es auch gutes Essen, denn von den Bauern wurde ja vorher geschlachtet und gebacken. Bei die Bäuerin hielten Vorbereitung und Ablauf eines solchen Druschtages mit dem Aufwand für eine Kirmes durchaus stand. Daß es zu Mittag Klöße und Braten gab, lag auf der Hand.«2 Inwieweit der dreiköpfigen Maschinen-Besatzung diese alltäglichen Festessen auf Wochen hin immer gemundet haben, zeigt die Anekdote, wo ein Maschinist der Bäuerin einmal zurief: ›Hilde, kannst Du uns heute nicht mal Nudeln ma-chen, die Klöße hängen mir zum A… heraus!‹

Die Dreschgenossenschaften bestanden vielerorts bis in die 1960er-Jahre hinein. Sie gingen in den Druschplätzen von MAS/MTS und LPG mit eigenen Dreschmaschinenschuppen usw. auf, wo bis zur Einführung der Mähdrescher ab Mitte der 1950er Jahre – in etlichen Dörfern aber erst Anfang der 1960er Jahre – noch manche inzwischen recht betagte Dreschmaschine – freilich von Dampfkraft auf Elektromotor umgestellt – ihren Dienst verrichtete. Vielerorts konnte man damit nur nachts dreschen, weil das schwache Gleich-stromnetz [110 Volt] des Dorfes ansonsten zum Erliegen gekommen wäre.


1 Brückner 1870, S. 190
2 Fröhlich u. a. 1999, S. 75

Über den Autor: Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Sein neuestes Buch: „Wetterextreme im Reußischen Oberland“. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen

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