Von altem Brauchtum: Mariä Lichtmeß

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Nach dem alteuropäischen Kalender begann um den 1. Februar herum der Vorfrühling. Schon für die Kelten war dies der Zeitpunkt, ab dem die bäuerlichen Außenarbeiten langsam wieder begannen, die Mutterschafe ihre Lämmer säugten [keltisch: Oimelc → Mutterschaf, Milch] bzw. ein großer Hausputz [altirisch: Imbfolc → Rundum-Reinigung] erfolgte. So versteht sich dieser merkwürdige Name. Fixpunkt für den Beginn des Vorfrühlings ist eine Sonnendeklination von -16º, also genau die Mitte zwischen der Wintersonnenwende und dem Frühjahrsäquinoktium. Der Sonnenlauf ermöglicht zu diesem Zeitpunkt schon wieder eine bestimmte Tageslänge. Darum besaßen die Festlichkeiten für das keltischen Imbolc-Fest einen sonnenbegleitenden Charakter, wobei man dem Zentralgestirn dabei zu helfen suchte, sich aus der Kluft des Winters endgültig zu befreien und das Eis endlich tauen zu lassen.1

Der heutige Name ›Lichtmeß‹ hat nichtzuletzt darin seinen Ursprung, daß zur zeitlichen Bestimmung Termins der Auf- oder Untergang der Sonne über einer bestimmten Bergspitze oder anderen Landmarke, an der ›das Licht gemessen‹ werden konnte, diente. Der Bauer erkannte daran, wie weit es noch bis zum Frühling war, ob er noch genügend Vorräte haben würde oder schon das Saatgetreide angreifen mußte.2

Als Lostag war Lichtmeß daher auch später noch überaus wichtig. So wußte man: ›Ist Lichtmeß hell und klar, so gibt’s zwei Winter in diesem Jahr!‹,3 oder ›Wenns zur Lichtmeß stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit!‹. Mit der Blüte von Schneeglöckchen und Hasel im Oberland kommt auch der Fuchs, eigentlich »der Bär aus seiner Höhle, schnuppert die Luft und schaut, ob die Sonne scheint. Wenn es zu hell ist, geht er für weitere sechs Wochen wieder zurück in die Höhle. Der Bär ist nämlich die vermummte Sonne.«4 Daher finden wir ihn etwa als Erbsbär oder Strohwickel – bei den anschließenden Fastnachtsumzügen. Nach Lichtmeß konnte das Fünf-Uhr-Abendbrot bereits im Hellen eingenommen und in den Stuben langsam wieder ohne Lichter und Kerzen ausgekommen werden.

Im Christentum wird das alte heidnische Fest freilich aus dem altbiblischen Gesetz des Moses abgeleitet, nach dem die jüdischen Mütter 40 Tage nach der Geburt ihres Kindes zum ersten Mal wieder in den Tempel gehen durften. Der Tag erinnert demnach an die erste ›Darstellung des Herrn‹ bzw. an ›Maria Reinigung‹ und gehört zu den vier großen Marienfesten. Den genauen Festtermin hat wahrscheinlich der byzantinische Kaiser Justinian um das Jahr 541 festgelegt. Es ist das Ende des Weihnachtsfestkreises, auf dem die Fastnachtszeit folgt. Wer noch nicht die Weihnachtskrippe oder den Tannenbaum weggeräumt hat, tut es jetzt. In Hessen und anderswo gibt es noch den Lichtmeßbrauch, der von den Bergen herabgerollten Feuerräder und auch in unserer Gegend fanden in einigen Marktorten Lichtmeßmärkte statt. Noch vor 70 Jahren wurde Lichtmeß auf den Dörfern recht feierlich begangen, da an diesem Tag allgemein das Gesinde den Dienstherrn zu wechseln pflegte, weswegen der Februar im Oberland früher auch ›Gesindemonat‹ genannt wurde. Wer weiter in Stellung blieb, für den gab es einige Tage Urlaub. Die abziehenden Mägde und Knechte mußten vor der Ankunft der neuen Dienstleute aus dem Haus sein, weil sonst der Wirtschaft Unheil drohte. Das neue Gesinde kam auf Mittag und mußte als erstes einen Blick ins Ofenloch werfen, um die Glut im Hause zu erhalten. Sodann mußte es sich auf die Ofenbank setzen und dort sein Mittagessen einnehmen, damit es sich besser eingewöhnen sollte. Zum Essen gehörten bei einem angesehenen Bauernhof die traditionellen grünen Klöße. Auf gar keinem Fall durfte es Sauerkraut geben.« Teils wurde an diesem Tag das Spinnen in den winterlichen Rockenstuben eingestellt, andernorts spann man noch bis Fastnacht bzw. bis zum Sonntag Lätare (Mitfasten), der heuer auf den 27. März fällt.

Über den Autor
Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen

1 Vgl. Inge Resch-Rauter: Auf den Spuren der Druiden – Landschaft, Steine, Festtagsbräuche und Märchen als Zeugen einer großen europäischen Vergangenheit, Wien 2006, S. 333; Gerhard Bellinger: Knaurs Lexikon der Mythologie, München 1989, S. 82
2 Vgl. Markus Niedermayr: Keltischer Jahreszyklus – Geschichten, Mythen, alte Traditionen und ihre Bedeutung heute, Vortrag auf: m-nieder-mayr.de (abger. 12.03.2021)
3 Vgl. Behr 1927, S. 69f.; Günther Wachter: Von der Lichtmeß und der Fasennacht: Der Februar im Brauchtum des Oberlandes, in: Ostthüringer Nachrichten, Lokalteil Schleiz (01.02.1992); Michels 1998, S. 105
4 Storl 2014, S. 29f.

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