Von altem Brauchtum: Johannestag, Sommerweihnacht

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Neben Jesus und Maria wird sonst nur der Tag Johannes des Täufers, des Vorläufers und Wegbereiters von Christus, als Geburtsfest ausdrücklich gefeiert. Der Heilige gilt als Schutzpatron vieler Berufe. Aus dem Grund fanden sogar in protestantischen Gegenden an diesem Tage die Jahresfeste verschiedener Innungen mit den entsprechenden Umzügen statt. Auch ist es der Zeitpunkt von Kirchweihfesten verbunden mit Jahrmärkten. Johanni ist gewissermaßen der Gegenpol zu Weihnachten, denn: ›Wird zur Weihnacht das Christkind geboren, gehen zu Johannis die langen Tage verloren!‹ Demzufolge muß der Johannestag noch in den 1860er-Jahren ›im gesamten Voigtlande‹ eine weit größere Bedeutung als heute besessen haben, So konstatiert der Volkskundler August Köhler: »Der Johannestag bezeichnet das Fest der Sommersonnenwende. In jener Zeit, da das religiöse Leben viel inniger als jetzt von den großen periodisch wiederkehrenden Erscheinungen des Naturlebens berührt wurde, mußte auch der Tag, an welchem die Sonne kürzer und kürzere Bahnen am Himmelsbogen beschreibt, ebenso wie die Tage der Wintersonnenwende von den germanischen und slawischen Völkern ausgezeichnet werden.

Die schöne Sitte, an dem Johannestage die Totenhügel mit frischen Blumen, den Gaben des Sommers zu schmücken, ergänzt die Weihnachtssitte, welche vorschreibt, die Lebenden mit Gaben zu erfreuen. … Am Johannestag sucht das Volk wie an keinem anderen Tage in den verschiedensten Kräutern wirksame Heilkräfte oder es erwartet von ihnen Zauberhilfe: Die Johannesblumen [Arnica montana] werden besonders an diesem Tage eingesammelt oder die Wurzeln der Pflanzen werden auf Spiritus gesetzt, um eine heilsame Tinktur für offene Wunden zu erhalten.«1 Auf Wiesenrändern, Halden, Eisenbahndämmen und Feldern ist dieses Kraut sehr häufig anzutreffen. Nach dem früheren Aberglauben besaß es eine Kraft gegen Hexen, Zauberei und selbst gegen den Teufel. »Der am Johannesabende gepflückte Arnika, auf die Felder gesteckt, unter das Dach gelegt oder in der Stube aufgehängt, schützt gegen Blitz und Hagelschlag.«2 Die Wurzelknollen des Knabenkrauts [Orchis maculata] an diesem Tage ausgegraben und bei sich getragen, bringen Glück im Spiele und machen, daß man immer Geld im Beutel hat. Mit dem in der Johannesnacht gepflückten ›Wundklee‹ [Anthyllis vulneraria] – auch ›Schreiklee‹ genannt – beschützte man Kinder und Vieh. »Zauberkräuter am Johannestag sind auch ›Echte Kamille‹ und ›Rainfarn‹. … Sammelt man Pflanzen vom ›Rainfarn‹, die am Johannestage nachts zwischen 12 und 1 Uhr aufgeblüht sind, so wird man unsichtbar. Die Wurzeln des ›Adlerfarns‹, dem Viehe unter das Futter gemengt, schützen vor Verhexung, wenn sie in der Mittagszeit gesammelt worden sind.«3

Ledige Mädchen befragten an diesem Tage das Kranzorakel. Dafür holten sie sich in der Mittagsstunde neunerlei Blumen, banden daraus mit einem in derselben Stunde gesponnenen Faden einen Kranz und warfen ihn in der gleichen Zeit rücklings an einen Baum. So oft er fiel ohne hängen zu bleiben, so viele Jahre mußten sie noch auf die Hochzeit warten.
Über das alte Brauchtum zu Johanni war bereits vor 90 Jahren nur noch wenig zu berichten. Hier und da – so im Lobensteiner Land – kannte man noch das Johannesfeuer. Andernorts pflegte man das Kranzorakel oder trieb Garten- und Feldzauber. So sollen sich die Bauern an diesem Tag in ihren Zwiebelbeeten herumwälzen, damit sie große Zwiebeln gewönnen.4

Der Vegetationswuchs muß bis Johanni entsprechend zugenommen haben: ›Ein Schaf muß sich im Korn verbergen können, wenn es recht geraten ist!‹ – ›Wenn zu Johanni die Linde blüht, ist zu Jacobi [27. Juli] das Korn reif!«5 Wenn es aber um Johannis regnet, so geraten die Nüsse nicht wohl!6 Überdies: ›Vor Johanni bet´ um Regen, nach Johanni kommt er ungelegen!‹ oder: ›Tritt auf Johanni Regen ein, so wird der Nachwuchs nicht gedeihn!‹ Denn regnet es einige Tage später, so am 27. Juni, dem Tag des Siebenschläfers, so regnet es sieben Wochen lang.«7

Der Johannestag in der Volkssage

»Die Sage hat sich auch sonst mit dem Johannistag beschäftigt. An diesem Tage bewegt sich ein Wallfahrtszug von [geisterhaften] Mönchen vom großen zum kleinen Schweinsberg und zurück zu einem verfallenen Kloster bei Schleiz. Bei Göschitz und Neuärgernis blühen an diesem Tage die Kieselsteine auf und zeigen aufsitzendes Geld. Eine Magd in Neuärgernis fand einen zu Johanni aufgeblühten Kieselsteingroschen, der ihre Kisten mit Groschen füllte, aber seine Kraft verlor, als er in andere Hände kam. Der Otterkönig bei Schleiz und anderen Orten zeigt am Johannistage freiwillig seine Krone. Wer sie sehen will, ist unglücklich, wenn er sich nicht vor den Ottern, die der Otterkönig herbeipfeift retten kann. Der Johannistag ist der Haupttag des Bilmesschneiders oder des Bilwitz. Mit dreieckigem Hütchen auf den Kopf und sichelartigen Scheren an den Füßen durchschreitet er vor Sonnenaufgang die Getreidefelder. Vom Felde, das er durchschritten hat, fällt ihm der halbe Ertrag zu. Geht er durch eine Herde Kühe, so geben sie Blut statt Milch. Um ihn unschädlich zu machen, muß man ihn bei seinem Gange grüßen [und er muß noch im selben Jahr sterben] oder von ihm abgeschnittene Halme mit den Wurzeln in den Schornstein hängen.«8

An der Saale hat sich noch bis in die Gegenwart der Glaube an die Saalnixe erhalten, die jedes Jahr am Johannistag ihr Opfer fordert. Gar viele gab es, die wollten dies nicht glauben und büßten für ihren Vorwitz mit dem Leben. Lange Zeit wurde vermieden, wenigstens an diesem Tag, in der Saale zu baden, zu fischen, zu flößen sowie mit dem Fährboot überzufahren.9

Dörfliche Festlichkeiten auf Johanni

Ursprünglich direkt zu Johanni – inzwischen am nächstgelegenen Wochenende – wird die Rödersdorfer Kirmes gefeiert. Das hat seine Bewandtnis darin, daß der Ort in katholischer Zeit ein Wallfahrtsort mit Ablaßmarkt war. »Da der Heuschnitt in vielen Dörfern erst nach Johanni begonnen wurde, kamen viele Bauern nach Rödersdorf, um sich auf dem dortigen Markt ihre neue Sense zu kaufen. Die Schleizer Kaufleute waren zahlreich vertreten und machten an diesem Tag gute Geschäfte.«10 Damals wie heute ist die Rödersdorfer Kirmes für ihr Umland das Großereignis im Juni und zahlreiche Besucher finden den Weg in das kleine Runddorf.

Wie die Rödersdorfer für das Schleizer war ehedem die Pottigaer Kirmes für das Lobensteiner Oberland von ähnlicher Bedeutung. Nur fand diese schon am Sonntag vor Pfingsten statt. Der Marktplatz des Fleckens heißt noch heute im Volksmunde ›Markt von Arlas‹. Es ist der alte Ablaßmarkt der mittelalterlichen Wallfahrtskirche im benachbarten Arlas, der nach dem Verfall des Gotteshauses im Jahre 1856 hierher verlegt wurde und ursprünglich dreimal im Jahr stattfand. Weil es zur Pottigaer Kirmes zu so früher Jahreszeit oft noch nicht genügend Vorräte gab, womit man die Gäste so überreich verköstigen konnte, wie sie es bei den andernorts im Spätherbst stattfindenden Kirmesfeierlichkeiten gewöhnt waren, wurde das Fest von den Auswärtigen auch spöttisch ›Die Krähenkirmes‹ genannt und gemutmaßt, daß es dort gebratene Krähen zu essen gebe. Inzwischen ist der Termin auf das dritte Wochenende im September verlegt worden.11

Zu Johanni feierten Schlegel und Seibis früher alle drei Jahre ein großes Maienfest. Die Bewohner von Kleingeschwenda hingegen begingen das sogenannte ›Milchtanzfest‹. Es war die Erinnerung daran, daß die örtlichen Gutsbesitzer, die Herren von Watzdorf, nach dem 30-jährigen Krieg, als der gesamte Viehbestand vernichtet war, die erste um 110 Gulden erkaufte Kuh ins Dorf gebracht hatten. Zu Festbeginn wurden die Dorfkinder auf dem Rittergut jedesmal mit Semmelmilch gespeist, dann war allgemeiner Tanz nach strenger Rangordnung vom Schulzen bis zum Hirten. Das Fest war eine Stiftung derer von Watzdorf.

In Schleiz und in anderen Städten hielten um Johanni mehrere Innungen ihre Jahresfeste ab.12 Im benachbarten Holzland z.B., in der Gegend um Hermsdorf, haben sich die Umzüge der Zimmerleute – von den Dörfern, wo die ländlichen Handwerker ihren Innungssitz hatten – nach Bürgel oder nach Bad Klosterlausnitz noch sehr lange erhalten. Die Züge bestanden je nach Größe der Innung aus 200 bis 400 Personen, darunter 40-80 Meister und 150-300 Gesellen und Lehrjungen. Wer an dem festgesetzen Tag nicht früh um sieben Uhr zur Stelle war, der mußte einen Gulden Strafe zahlen.

Der Ablauf der Umzüge war in etwa so: Wie alle vor dem Sitz der Innung, dem Haus des Obermeisters, zusammengekommen waren, wurden die einzelnen Innungsladen, die Alte Lade, die Neue Lade, die Leichentuchs-Lade und die Zimmer-Lade mit dem Willkomm [Innungskrug], den Bechern und den Löffeln zur Mitführung entweder auf einen Wagen geladen oder den Gesellen auf die Schultern gehoben. Bevor sich der Zug in Bewegung setzte, mußte der jüngste Lehrjunge mit einer geborgten Axt drei Hiebe in den Balken über der Tür des Innungshauses tun. An der Spitze des Zuges schritt der jeweils älteste Geselle, der entweder den Willkomm trug oder stattdessen einen Zeremonienstab, eine Zimmeraxt oder gar einen Säbel in der Hand führte. Als ›Beschützer des Zuges‹ gingen zudem Männer in Zimmermannstracht mit aufrecht getragenen Äxten einher. Darauf folgte die Innungsfahne und die Musikkapelle. Dahinter kamen die Innungsladen. Nun folgte der Obermeister. Um seinen Hals hing eine schwere silberne Kette mit einem Medallion. Kette und Medallion hatte die Innung zu einem Jubiläum vom Landesherrn erhalten. Darauf kamen die übrigen Meister in ihrer Ordnung, wie sie der Handwerksschreiber aufgerufen hatte, ein jeder auf seinen langen Maßstock gestützt. Nach ihnen schritten die Gesellen, jeder mit seinem Winkeleisen, woran bunte Bände geknüpft waren, in der Hand. Ihnen folgten zuletzt die Lehrlinge, die die Äxte mitführten. Auf dem Marsch selbst wurden Lieder gesungen wie: ›Unseren Ausgang segne Gott‹ und die Musikanten bliesen dazu. Auf diese Weise passierte der Zug mehrere Dörfer. An der Weichgrenze standen zur Begrüßung schon der Bürgermeister und die Ratspersonen bereit und man empfing den Zug mit einer Rede. Darauf ging es in die Stadt bzw. in den Marktflecken hinein. Die Straßen waren gesäumt von unzähligen Menschen, von denen viele nur zu diesem Tag in den Ort gekommen waren. Vor dem Rathaus fand der Umzug sein Ende. Man sang noch: ›Ich will mit danken kommen‹. Die Innungsoberen hielten mit dem Rat ein Festessen ab, die Meister saßen im Ratskeller und für das Essen der Gesellen und Lehrlinge standen innerhalb eines Spaliers Bänke vor dem Rathaus. Sodann verlustigte sich alles bei einem volksfestartigen Treiben, wofür auf dem Markt Buden, Karussell, Zirkus aufgebaut waren.13 Natürlich war ein solches Ausmaß nur bei den größeren Innungen üblich. Die kleinen Innungen nahmen an den Umzügen der Orte teil, wo ihr Handwerk stärker vertreten war.«14

Über den Autor
Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen

1 Köhler 1867, S. 375f.
2 Ebenda
3 Julius Mosen: Johannestag, in: Oberlandhefte 1926, Heft 4, S. 50f.
4 Vgl. ebenda, S. 51; Brückner 1870, S. 190; Robert Hänsel: Von den Reußischen Jahrmärkten, in: Reußischer Erzähler – Unterhaltungsbeilage zur Schleizer Zeitung, Schleiz, Nr. 45 (14.11.1912)
5 Vgl. Michels 1998, S. 148
6 Körber 1718 bei Hänsel 1926/1, S. 10f.
7 Mosen 1926/4, S. 53
8 Ebenda
9 Vgl. Eisel 1871, Nr. 60
10 Jürgen K. Klimpke: Hutzenstub´n und Kirmes – Bräuche im Oberland, in: Schleizer Heimathefte, Nr 16 (4/1999).; Vgl. Robert Hänsel: Rödersdorf und der Wiesenmarkt in Schleiz, in: Reußischer Erzähler, Nr. 19 (15.09.1934)
11 Vgl. Brückner 1870, S. 190, 800; Behr 1927, S. 82
12 Vgl. Sigismund I 1862, S. 85; Brückner 1870, S. 190; Drechsel 1934, S. 192
13 Vgl. Oskar Schade: Vom deutschen Handwerksleben in Brauch, Spruch und Lied, in: Weimarisches Jahrbuch, Band IV, Heft 2, Weimar 1856; Heinecke 1983, S. 43f.; Herbert Hegen: Der ›Richt-Spruch‹ Anno 1804 aus Steinsdorf als Beleg für Tradition, Moral und Lebenswelt vor 200 Jahren, in: Jahrbuch des Museums Reichenfels-Hohenleuben, Nr. 49 (2004), S. 179-186
14 Pfeiffer 1956, S. 80, zitiert bei Stahl 1979/1, S. 74

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