Von altem Brauchtum: Dreikönigsheiligabend

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Zur ›Berchtennacht‹, dem Vorabend des Dreikönigstages, durfte von den Frauen nicht gesponnen, von den Männern nicht über die Zeit das Wirtshaus besucht werden. Es war die Nacht Frau Berchtas, einer alten Fruchtbarkeits- und Ackerbaugöttin, die übers Land zog und hier die Heimwege von den Wirtshäusern, dort die Spinnstuben kontrollierte, um zu sehen, ob alles rein abgesponnen sei. »Dann belohnt sie die Fleißigen und straft die Faulen und wer leere Spulen nicht in bestimmter kurzer Frist vollspinnt, dem verwirrt sie den Flachs oder verunreinigt ihn. In Öpitz [ebenso in Langendembach bei Pößneck], wo eine alte Frau am Heiligen Dreikönigstage spann und bei der Warnung vor Perchta dieser noch spottete, stieß letztere plötzlich das Fenster auf und warf eine handvoll leerer Spulen herein, die bei Strafe in einer Stunde vollgesponnen sein mußten. Die Frau aber hat nur ein paar Reifen Flachs um jede gesponnen und dann alles in den Bach geworfen, da hat ihr Perchta nichts anhaben können. In ähnlicher Lage wurde in Oppurg Werg um die Spulen gewickelt und dieses nur übersponnen, worauf Perchta sich zwar verwunderte, doch arglos weiterging.«1 Die Sagen um Frau Berchta lassen erkennen, wie die Priester sich dieser Gestalt zur Erreichung ihrer Zwecke zu bedienen wußten. »Die ursprüngliche Schutzgöttin des Getreidebaus wird hier in gewisse Beziehung des jenem verwandten Flachsbaus gesetzt. Die Erinnerung an Berchta wird einfach dazu benutzt, dem seitens der Kirche erlassenen Verbote, am Abend vor dem Dreikönigsfest, der wie das Fest selbst geheiligt werden sollte, nicht zu spinnen, besser Nachdruck zu verleihen. Charakteristisch ist es, wie in dieser Sage die Alte mit List der Bestrafung aus dem Weg zu gehen versteht. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß unsere Vorfahren dem fließenden Wasser eine sühnende Kraft beilegten, denn ein auch heute bei manchen Landbewohnern noch zu findender Aberglaube bestätigt dies. Unter Anwendung besonderer Formeln und sonstiger Kunstgriffe wird ein Gegenstand dem fließenden Wasser anvertraut, wodurch irgend ein körperliches Leiden geheilt werden soll. Der Glaube an die sühnende Kraft des Wassers tritt offenbar auch hier zutage, wo die alte Spinnerin das Beste, was sie hat, gleichsam als Sühneopfer, für das vermeindliche Unrecht in das Wasser wirft.«2

Über den Autor
Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen

1 Eisel 1871, S. 261
2 Rudolf Drechsel: Sagen und alte Geschichten aus dem Orlagau, Wernburg 1934, S. 104

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