Pestilenz und ›Schwarzer Tod‹ vom Mittelalter bis in die Frühneuzeit [Teil 3]

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Als die Pest 1564 in Schmalkalden wütete, glaubten die Menschen, das Jüngste Gericht sei gekommen. Die Toten durften nur nachts bestattet werden. Die abgezehrten, von Eiterbeulen verunstalteten Leichname waren dabei nur in von Blut und Eiter getränkte Leinentücher gewickelt. Es soll auch Personen gegeben haben, die beerdigten sich selbst, weil sie fürchteten, sonst von Ratten, Mäusen und Würmern angefressen zu werden.1

Bevor im Jahre 1575 die Stadt Schleiz und mit ihr das halbe Oberland von der Pest heimgesucht wurde, will man am Himmel merkwürdige Feuerzeichen und hin und herfliegende Kugeln gesehen haben.2 Diese Epidemie, die der Geraischen Stadt= und Land=Chronica zufolge allein in Schleiz 720 und in Hof 500 Menschen tötete, sei von dem Ritter Hans von Kospoth aus dem Ausland eingeschleppt worden. Der war im genannten Jahr in Ungarn auf einem Kriegszug gewesen. Kurz nach seiner Rückkehr erkrankte er und starb eines schnellen Todes. Seine Diener indes wussten nicht, dass er an der Pest verstorben und überführten den Leichnam ihres Herrn nach Schleiz, damit er in der Grabeskapelle seiner Väter beigesetzt werde.3 »Wie nun der Sargdeckel nach alter Sitte bei der Beerdigung gehoben ward, dass jedermann noch einmal das Antlitz des Toten sehe, da zog die Pest in Form eines blauen Räuchleins aus dem Sarge und verbreitete sich. Zuerst erfasste sie die Schüler und die beim Begräbnis Anwesenden. Einmal eingeschleppt, griff sie weiter um sich und wütete schrecklich.«4 Der Grabstein des daraufhin nur ›Pestmann‹ genannten Adligen steht in der Schleizer Bergkirche rechts vom Altar der Annenkapelle. Die Umschrift daran lautet: ›Anno 1575 den 25 IVLII am Tage Iacobi starb [der] edle vnd erenvheste hans von Kospodt de Got genad.‹5 »1903 wurde sein Grab geöffnet, aber außer einigen verfaulten Sargbrettern und Moder nur noch ein mit Noten bedrucktes Stück Seidenzeug darin gefunden.«6 Von den Zeitgenossen berichtet der Pastor Bartholomäus Groh in Heinersdorf bei Lobenstein, dass um Laurentii [12. August] die Pestis zu Harra und zu Schleiz sehr heftig regiert habe. Im Jahre 1589 ließ sich Epidemie nochmals in Harra blicken.

Lang erinnert hat man sich an die große Pest-Epidemie der Jahre 1610 bis 1612 in unserer Region. In Schleiz starben 1610 119, im Folgejahr 108 Menschen. In Gera herrschte aufgrund der Epidemie solche Angst, dass der Reußische Hof nach Lobenstein entfloh. Auch an der oberen Saale – und zwar kurz nach einem Saalehochwasser – war 1611 eine pestähnliche Krankheit aufgetreten. Man nannte die Krankheit ›Kalte Luft‹ oder ›Seltsamer Schauer‹. Viele Menschen starben jäh weg, andere wurden stumm.

Über den Autor
Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen

1 Vgl. Bernd 2008, S. 26-35
2 Vgl. Eisel 1871, Nr. 653; Vgl. dazu Michael Tellinger: The Secet Historie oft the Anunnaki, Rochester 2005, S. 239
3 Vgl. M. Johann Caspar Zopf: Reußisch=Geraische Stadt= und Landchronica. Darinnen enthalten viel denckwürdige Sachen / betreffend nicht allein die Stadt Gera / sondern auch das gantze Voigt= und Reussen=Land / aus alten zuvor nie in Druck ausgegangenen Monumenten / auch andern vornehmer Historicorum berühmter Schriften Gott zu Ehren, dem Vaterland zum besten auch anderern der historie Liebhabern zu nützlicher Wissenschaft in Druck verfertigt Ann. M DCLXCII. 1692, S. 44; Robert Hänsel: Die Pest in Schleiz 1575, in: Reußischer Erzähler – Beilage zur Schleizer Zeitung, 1933, Nr. 24 (25.11.1933)
4 Eisel 1871, Nr. 458
5 Zitiert bei Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Heft XII: Fürstentum Reuß jüngere Linie, Amtsgerichtsbezirke Schleiz, Lobenstein, Hirschberg, Jena 1891, S. 68
6 Berthold Schmidt: Geschichte der Stadt Schleiz, Band 3, Schleiz 1908, S. 150f.


Aus: Alexander Blöthner: Der Dreißigjährige Krieg in Thüringen [1618–1648] Östlicher Teil: Reuß, Orlagau, Schwarzburg, Holz- und Osterland, Norderstedt 2018, S. 33-48. (in oberlandbezogenen Auszügen)

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