Pestilenz und ›Schwarzer Tod‹ vom Mittelalter bis in die Frühneuzeit [Teil 2]

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Die Hauptursache für das Wüten der Pest »sah man in den Sünden der Menschheit, verstärkt durch eine ungünstige astrologische Konstellation des Saturn, die stets Unheil verhieß.«1 Beinahe vor jedem Auftreten berichten die Sagen – und zwar unabhängig von Zeit und Ort in ganz Europa – vom Auftreten merkwürdiger Lichter am Himmel. Verbreitet würde die Seuche – so glaubte man – durch Lufthauch und giftige Dünste in der Luft. Erst im 16. Jahrhundert begann man die Zusammenhänge um die Ausbreitung von Seuchen langsam zu verstehen. Die Menschen gingen ihnen so weit wie möglich aus dem Wege, mieden schlechtes Trinkwasser, scheuten menschliche Ansammlungen oder flohen an andere Orte. Davor waren sie weitgehend den Ratschlägen der Kirche gefolgt und hatten sich der Krankheit demütig und bedingungslos ergeben und sie als ›Strafe Gottes‹ hingenommen.

Aus der Zeit des Mittelalters haben wir für unsere engere Heimat keine sicheren Nachrichten über Epidemien. Zum ersten Mal hören wir von der Pest im Jahre 1348 nach dem großen Thüringer Erdbeben. Über die Mittelmeerhäfen war sie damals aus dem Morgenland eingeschleppt worden, nachdem die Tataren, als sie 1346 die Stadt Caffa [heute Feodosia] auf der Halbinsel Krim belagerten, Pestleichen aus dem Osten herangeschafft und diese mit Wurfmaschinen in die Stadt, geschleudert hatten.2 »Die Krankheit löste Panik und Verwirrung aus, da sie bis dahin unbekannt war und es kein Mittel dagegen gab.«3 – »Die Seuche breitete sich mit einer Geschwindigkeit von 3-8 km am Tag in Europa aus. Eine Jahr nach ihrem Auftreten hatte die Pest den Brenner überwunden. Seit dieser Zeit galt sie als ständig stehende Seuche in Europa. Ruheperioden folgte wilden Ausbrüchen.«4 Wo sich der Krankheitserreger zwischen den Ausbruchswellen teils jahrzehntelang verbergen konnte, war – wie nachfolgende Sagen verdeutlichen – schon damals ein Rätsel und ist auch heute noch immer nicht hinreichend geklärt. Wie es den Anschein hat, stellte man sich die Pest als eine Art Wolke, dichter wie ein Nebel, aber nicht so dicht wie ein Bienenschwarm vor, der sichtbar über die Lande zog und sich hier oder da niederließ. Als in einem reußischen Dorf im Elstertal die Schnitter bei der Kornernte auf einem Feldrain Brotzeit hielten, »bemerken sie am Himmel einen blauen Dunst, der … gerade auf sie loskommt und sich über sie niederlässt. Sie sollen alle gestorben und in ein gemeinsames Grab auf dem unteren Friedhof an der Kirche gelegt worden sein.«5 Wer aber dieses Pesthauchs rechtzeitig gewahr wird, und sieht wie er sich etwa in das Astloch eines Baumes, in das Spundloch eines Holzbalkens oder in die Kluntsche einer Hauswand hineinverzieht, kann diese Öffnung verschließen, worauf die Pest solange darin gebannt bleibt, bis jemand – meist in unwissender Weise – den Zapfen wieder herauszieht oder der Baum mit dem verschlossenen Astloch verfault ist und die Pest auf diese Weise freikommt und wieder ausbricht.6

»Wird man auch die Nachricht Erfurter Chronisten, dass die Seuche in der Stadt während der Jahre 1350/51 12.000 und 1484 etwa 10.000 Opfer gefordert habe, nicht für voll glaubwürdig halten, so zeigt sich doch, wie stark die Zeitgenossen das große Sterben mitempfanden.«7 Für die große Pestwelle in der Mitte des 14. Jahrhunderts überliefern die Chroniken den Tod von über der Hälfte der damals in Europa lebenden Bevölkerung. Bei näherem Hinsehen erscheint diese Sterberate freilich als übertrieben. Dennoch muss von wenigstens einem Drittel und demnach von 25 Millionen Todesopfern ausgegangen werden. Was das nachweisliche Aufkommen von pestartigen Erkrankungen im Vogtland betrifft, so waren solche in den Jahren 1379/80, 1463 und 1496 aufgetreten. In den Jahren 1505 und 1517 wütete die Pest in der Stadt Hof und forderte dort das eine Mal 1.400, das andere Mal 1.100 Menschenleben. 1520 trat die Seuche in Gera, 1521 in weiteren Teilen des Reußenlandes auf. Eine Epidemie bisher ungekannten Ausmaßes suchte in diesen Jahren auch die Stadt Jena heim, wo 1530: 1.100, 1542: 900 und 1543: 1.160 Menschen starben.

Über den Autor
Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen



1 Vgl. Bernard Cornwell: Der Erzfeind, Hamburg 2003, S. 445
2 Vgl. Heimat- und Geschichtsverein Mohlsdorf 2002
3 Cornwell 2003, S. 445
4 Rolf Bergner: Schwarzbach – Ein Heimatbuch aus den Tälern, Renthendorf 2012, S. 30
5 Böttger: Teichwolframsdorf in der Zeit des 30-jährigen Krieges, in: Vergangenheit und Gegenwart – Heimatgeschichtliche Blätter der Greizer Zeitung, Nr. 5 (1931), zitiert bei Holger Zaumsegel: Lüftchen des Todes – Wie die Pest nach Greiz kam – OTZ-Sagenexperte Dr. Frank Reinhold hat die Sagen über den Schwarzen Tod unter die Lupe genommen, in: OTZonline (16.09.2011)
6 Vgl. Robert Eisel: Die Sagen des Voigtlandes, Gera 1871, Nr. 457
7 Herbert Helbig: Wirtschaft und Gesellschaft im Mittelalter, in: Hans Patze, Walter Schlesinger (Hg.): Geschichte Thüringens, Band 2, Teilband 2: Hohes und Spätes Mittelalter, Köln u.a. 1973, S. 13


Aus: Alexander Blöthner: Der Dreißigjährige Krieg in Thüringen [1618–1648] Östlicher Teil: Reuß, Orlagau, Schwarzburg, Holz- und Osterland, Norderstedt 2018, S. 33-48. (in oberlandbezogenen Auszügen)

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