Pestilenz und ›Schwarzer Tod‹ vom Mittelalter bis in die Frühneuzeit [Teil 1]

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Oft und schwer haben die Menschen früher unter Seuchen und epidemischen Krankheiten gelitten. »Sterbensläufte, Großes Sterben, Pest, Pestilenz, Hitziges Fieber, Ungnade, Lungenseuche, Ungarisches Fieber, Franzosenkrätze, Englischer Schweiß usw. wurden sie genannt. Vornehmlich in schlechten Zeiten auftretend, mit Teuerungen, schlechter Wit­terung und Kriegen in Verbindung stehend, ist die hohe Ansteckungsgefahr das Charakteristische bei ihnen.«1

Unter der bereits in biblischen Zeiten erwähnten ›Pest‹ verstand man vom Mit­telalter bis ins 17. Jahrhundert hinein nicht zwangsläufig die wirkliche orientalische Pest, den so ge­nannten ›Schwarzen Tod‹, sondern jede ansteckende und seuchenartige Krankheit schlankweg. Die Pest, um die es im Nachfolgenden hauptsächlich geht, ist eigentlich »eine Krankheit der Nagetiere, in der Hauptsache der Ratten, die dann vom Rattenfloh übertragen wird. Wenn viele Tiere an der Pest sterben, befallen die Flöhe auch Menschen, welche dann an der ›Beulenpest‹ erkranken. Die Übertragung von Mensch zu Mensch löst die immer (!) tödlich ausgehende ›Lungenpest‹ aus.«2 Bei einem an der Beulenpest erkrankten Menschen bilden sich unter den Achselhöhlen und in der Lendengegend zunächst Schwellungen bis zur Größe von Hühnereiern. Später schwillt die Zunge und färbt sich dunkel, dann verteilen sich schwarze Flecken über den ganzen Körper, weswegen die Krankheit auch ›Schwarzer Tod‹ genannt wird.

Die wenigen Ärzte – die ersten kamen ohnehin nicht vor dem Jahr 1600 in unserer Region auf – waren machtlos, ebenso die Bader, Apotheker und Quacksalber. Soweit sich die Pestärzte der Herausforderung überhaupt annahmen, trugen sie lange Mäntel und Gesichtsmasken, die mit vogelschnabelartigen Spitzen versehen waren, in die sie Gewürzmischungen und spezielle Tinkturen füllten, um die Krankheit von sich fernzuhalten. Als Mittel gegen die Pest schnitt man die Eiterbeulen auf und schabte sie aus. Auch verordnete man spezielle Bäder von Wein und Semmeln darin geflockt, allerhand Tee, Pestwurz, auch Essig und das Ausräuchern der Häuser, etwa mit Wacholder oder Beifuß. Aus der Geraer Umgebung meldet eine Sage, dass ein Rabe von Vogtlande her gekommen sei und den Leuten zugerufen habe: ›Esst Baldrian und Bibernelle, sonst sterbt ihr schnelle!‹

Das erinnert an eine Geschichte, die sich um 1620 im Frankenwald zugetragen haben soll: Als um diese Zeit die wegen ihres protestantischen Glaubens aus dem Bistum Bamberg vertriebenen Nordhalbener Bürger hinter der Reußischen Grenze den neuen Ort Titschendorf gründeten, gesellte sich bald ein Mann zu ihnen, der vordem in der Zeit um 1600 als berühmter Arzt und Schwarzkünstler in den großen Städten entlang der Ostseeküste, insbesondere in Danzig, erfolgreich den Kampf gegen die Pest aufgenommen hatte. Sich selbst nannte er ›Herr von Redwitz‹. Nachdem er hier eine Familie gegründet und einige Jahre im Ort gelebt hatte, erreichte ihn ein Bittschreiben des Danziger Rats, der Stadt noch einmal gegen die schwere Seuche beizustehen. Der Pestarzt folgte dem Ruf. Diesmal verlor aber er den Kampf gegen die Seuche und ging selbst daran zugrunde. Nachfahren von ihm leben noch heute in Titschendorf.3

Über den Autor
Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen

1 Bernd Stephan: Katastrophen in Thüringen, Taucha 2008, S. 26
2 Heimat- und Geschichtsverein Mohlsdorf e.V. (Hg.): Der schwarze Tod, in: Mohlsdorfer Sagen- und Geschichtenbuch 2002; R. Michaelis: Die Pest, in: Vergangenheit und Gegenwart – Heimatgeschichtliche Blätter der Greizer Zeitung, Nr. 13 (1934
3 Vgl. N.N. Kriegsgreuel vor 300 Jahren – Der Dreißigjährige Krieg in der Umgebung Geras, in: Geraer Land (21.05.1935); Webseite der Gemeinde Titschendorf (Stand 20.07.2014)


Aus: Alexander Blöthner: Der Dreißigjährige Krieg in Thüringen [1618–1648] Östlicher Teil: Reuß, Orlagau, Schwarzburg, Holz- und Osterland, Norderstedt 2018, S. 33-48. (in oberlandbezogenen Auszügen)

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