Nach Eklat zum Marktfest steht nun Aussage gegen Aussage

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Die vermeintliche Tätlichkeit von Bad Lobensteins Bürgermeister Thomas Weigelt gegen den umstrittenen OTZ-Lokalredakteur Peter Hagen hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. Nahezu alle überregionalen Medienhäuser berichten über den Vorfall, der sich am vergangenen Samstag auf dem Marktfest zugetragen hat. Namhafte Politiker und überregionale Medienverbände fordern nun unisono den Rücktritt des Bürgermeisters – Weigelt selbst lehnt diesen aber bisher ab.

Anders als die überregionalen Kommentatoren bewertet man die Sache vor Ort allerdings etwas differenzierter. Hunderte, wenn nicht tausende Kommentare wurden die letzten Tage in den Sozialen Medien zu dem Thema verfasst. Dabei wird teils scharfe Kritik an dem Vorgehen des Lokalredakteurs Hagen laut, dessen Arbeit von vielen Kommentatoren als stark tendenziös wahrgenommen und dem vorgeworfen wird, er würde seine Privatmeinung in die Berichterstattung einfließen lassen und u. a. dadurch diesen Vorfall selbst provoziert haben.
„Seit einiger Zeit lässt der Journalist seine persönliche Abneigung gegen den Lokalpolitiker immer wieder in die Berichterstattung einfließen.“ heißt es auch in einer Art Stellungnahme das Bürgermeisters, die jedoch nicht von Weigelt unterzeichnet ist. Auch von Provokationen seitens Peter Hagen ist darin die Rede.
Tatsächlich kam es gegen Ende letzten Jahres offensichtlich zum Bruch zwischen dem Bürgermeister und dem Lokalreporter, deren Zusammenarbeit bis dahin von vielen als harmonisch wahrgenommen wurde. Als am 13. Dezember 2021 in Bad Lobenstein Montags-Spaziergänger von einem Großaufgebot der Polizei am Markt eingekesselt wurden, war auch Weigelt vor Ort. Wenige Tage später gab er dann dem YouTube-Format „Anni und Martin“, ein Interview, in dem er die OTZ-Berichterstattung darüber als „sehr, sehr fragwürdig“ bezeichnete und erklärte, dass Deutschland sich momentan in „schwer diktatorischen Bereichen“ bewege. Offenbar waren es Aussagen wie diese, die Hagen zu einer treibenden Kraft hinter dem Amtsenthebungsverfahren gegen den Bürgermeister werden ließ.

Jedenfalls beruht die offenkundige, persönliche Abneigung mittlerweile wohl auf Gegenseitigkeit. In der sogenannten Stellungnahme des Bürgermeisters, die u. a. vom MDR geteilt wird, wird auch behauptet, der Lokalredakteur hätte bei dem Vorfall am Samstag versucht, es so aussehen zu lassen, als habe Weigelt ihn angegriffen. „Ich habe Herrn Hagen nicht berührt“, wird der Bürgermeister zitiert. Dem widerspricht jedoch laut MDR Tino Zippel, der Stellvertretende Chefredakteur der OTZ: „Der Bürgermeister hat unseren Reporter erst am linken Arm getroffen. Zudem verspürte er einen Stoß, wordurch er rückwärts umgefallen ist. Das während des Angriffs erstellte Videomaterial bestätigt dies eindrucksvoll.“

Das veröffentlichte Kurzvideo bestätigt oder widerlegt allerdings weder die eine, noch die andere Seite. Zu sehen ist, wie Hagen sich in Richtung Weigelt bewegt, der sich offenbar gerade mit Heinrich XIII. Prinz Reuß und AfD-Landtagsabgeordnetem Uwe Thrum unterhält. Der Bürgermeister stürmt daraufhin auf den Lokalredakteur zu und greift nach dessen Kamera. Ob Weigelt den Reporter umstößt oder ob Letzterer „den Neymar macht“, wie es ein Kommentator auf Telegram formulierte, ist auf dem Video nicht zu erkennen.

Dem Vorfall am Markt ging aber ein weiterer Disput voraus, den viele überregionale Medien, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnen: Beim Empfang des Bürgermeisters im Neuen Schloss versuchte OTZ-Redakeur Peter Hagen sich Zutritt zu der geschlossenen Veranstaltung zu verschaffen. Dabei missachtete Hagen die Aufforderung des Bürgermeisters, das Neue Schloss zu verlassen und das Filmen einzustellen. Sowohl Weigelts Ehefrau, also auch Weigelt selbst wiesen den Lokalreporter ruhig und sachlich darauf hin, dass es sich bei dem Empfang um eine Einladungsveranstaltung handelt und er nicht eingeladen sei. Schließlich wurde der Sicherheitsdienst gerufen.
Dieses Vorgehen Weigelts bezeichnen jedoch einige Kommentatoren als „undemokratisch“, da nach deren Ansicht ein von Steuergeldern bezahlter Volksvertreter die Presse nicht ausschließen und eine Berichterstattung über sein Handeln nicht verhindern dürfe. Zwar gilt ein solches Vorgehen auf lokaler Ebene tatsächlich eher als ungewöhnlich, in der Bundespolitik ist es jedoch gang und gäbe, dass Politiker sich nur mit ihnen angenehmen Journalisten einlassen, andere dagegen nach Möglichkeit ausschließen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist der jüngste, vielbeachtete Regierungsflug von Bundeskanzler Scholz (SPD) und Vize-Kanzler Habeck (B90/Grüne) nach Kanada, zu dem nur 25 regierungsnahe und ausgewählte Journalisten Zutritt hatten. Ein anderes, legendäres Beispiel ist die Beziehung des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) zum Spiegel-Konzern: In seiner sechzehnjährigen Amtszeit gab Kohl aus Prinzip den Journalisten von Spiegel und SpiegelTV keine Interviews.

Doch zurück nach Bad Lobenstein: Hier stellt sich nun die Frage, wie es weitergehen soll. Mit nahezu dem gesamten Stadtrat gegen sich, wird es für Thomas Weigelt nur schwer möglich sein, Politik im Sinne der Stadt zu machen. Ein „Weiter so“ scheint unmöglich und kann zudem weder von der einen, noch von der anderen Seite gewollt sein. Vorerst bleibt es aber abzuwarten, was die Ermittlungen der Polizei zu dem Vorfall am Markt ergeben. Derzeit steht Aussage gegen Aussage – und die Kurstadt ist gespalten wie selten zuvor.

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