Elke quetscht aus… Bestatter Lucien Pinske

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Elke quetscht aus...
Elke trifft oft interessante Menschen und fragt nach deren Geschichte. Notizblock und Bleistift sind immer dabei. Neulich traf sie…
Foto: Lucien Pinske

Name: Lucien Pinske
Alter: 26 Jahre
Beruf: Bestatter


Ist dein Beruf ein familiäres Erbe?
Natürlich bin ich von Kindheit an damit groß geworden und hätte mir auch nichts anderes vorstellen können. Ich bin zwar durch meine Familie in die Branche rein gewachsen, habe aber mein eigenes Unternehmen aufgebaut. Diesen Schritt bereue ich definitiv nicht.

Kann man im Bestattungswesen eigentlich auch über einen Trend-Wechsel reden?
Auf jeden Fall. Das war für mich auch der Hauptgrund, mein eigenes Unternehmen aufzubauen. Ich wollte von Anfang an einiges anders machen, moderner, offener und individueller. Ich möchte vor allem die kreativen Wünsche der Hinterbliebenen erfüllen

Nehmen die Menschen hier auf dem Land deine modernere Art an?
Oh ja, wenn ich das kurz erzählen darf: wir haben demnächst eine Trauerfeier von einem begeisterten Fußballspieler. Beim Trauergespräch mit den Hinterbliebenen haben wir uns dann entschieden, einige Utensilien seiner Hobbys mit in die Dekoration einzubeziehen. Solche Wünsche sind auch nicht altersabhängig. Wir reden bei der Ausstattung der Trauerfeiern auch nicht von einem Generationswechsel, nein, das sind die Wünsche der Hinterbliebenen aller Altersklassen und die erfüllen wir wirklich sehr gern.

Nun gibt es doch in Deutschland auch in deinem Bereich sehr viele Gesetze und Gesetzesänderungen. Woher holst du dir deine ganzen Informationen darüber, was erlaubt ist und was nicht?
Wir sind Mitglied im Bundesverband der Bestatter, da bekommen wir Newsletter über neue Gerichtsurteile und Veränderungen, aber auch neue Inspirationen oder welche Bestimmungen bei welcher Bestattung einzuhalten sind. Ich bin natürlich auch selber bestrebt, immer auf dem neusten Stand zu sein.
Durch meine Ausbildung in Wiesbaden habe ich mir auch ein Netzwerk in ganz Deutschland aufgebaut und natürlich unterstützen wir uns auch gegenseitig. Vor allem stehen wir aber mit Bestattungsunternehmen in unserer Region im engen Austausch.

Wohin geht der Trend der Bestattung eigentlich? Also die Wünsche meines Mannes und mir gehen in die Richtung, uns gegenseitig nicht zu viel Grabpflege aufzubürden.
Ja das ist richtig. Die Anfragen auf Bestattungen in Urnen-Gemeinschaftsanlagen werden häufiger und auch die Wald-und Baumbestattung wird immer mehr gewünscht. Es gibt aber auch durchaus die Möglichkeit, pflegefreie Gräber, also Urnengräber mit einer schönen Platte und einer Vase, zu wählen. Auch die Steinmetze haben da sehr schöne Ideen und folgen natürlich auch diesem Trend. Auch in diesem Bereich beraten wir sehr gern die Hinterbliebenen.

Wenn einem der liebste Mensch genommen wird, ist man ja erst mal wie gelähmt. In wie weit hilfst du bei der Organisation der Beerdigung?
Wir bieten schon so eine Art Voll-Service an. Wir kümmern uns zum Beispiel um Abmeldungen von Versicherungen, die Umschreibungen von einem Ehepartner auf den anderen, die Beantragung der Vorschusszahlungen auf der Rentenstelle oder um die fortlaufende Witwenrentenzahlung, dann Abmeldungen von Krankenkassen, von Abonnements, von Handyverträgen. Wenn gewünscht, kümmern wir uns auch um die Kündigung der Wohnung und organisieren die Räumung der Wohnung. Was auch sehr wichtig ist: Wir beziehen das Sterbegeld und die Lebensversicherungen mit ein. Das ist auch ein Wunsch der Hinterbliebenen.
Natürlich kümmern wir uns um die ganze Trauerfeier. Wir telefonieren mit dem Steinmetz, dem Pfarrer und dem Redner wegen einer Termvereinbarung, wir kümmern uns um den Blumenschmuck und die Organisation der Friedhofsverwaltung. Wir kümmern uns selbstverständlich auch um die Überführung und Versorgung der Verstorbenen. Wo wir nicht helfen dürfen, ist die Auflösung von Bankkonten oder das Thema Testamentseröffnung, der Weg zum Nachlassgericht…
Ich empfehle aber immer, schon vorher einen Hefter anzulegen, wo alle Unterlagen, also Versicherungen, Eheurkunde und Rentenpapiere, abgeheftet sind. Einige legen auch Wünsche für ihre Trauerfeier fest. Aus Erfahrung weiß ich, das so etwas von den Hinterbliebenen positiv angenommen wird.

Gibt es bei dir auch einen Vorabservice, also dass ich jetzt schon alles für meine Beerdigung plane, um es den Hinterbliebenen etwas einfacher zu machen?
Wir bieten eine Bestattungsvorsorge an, das bedeutet, dass die Leute schon ihre eigene Bestattung festlegen. In diesem Rahmen können die Bestattungskosten durch die Treuhand oder eine Versicherung mit abgedeckt werden. Auch da berate ich gern.
Der Vorteil ist natürlich auch folgender: wenn man in ein Heim kommt, muss ja erst das eigene Vermögen aufgebraucht werden, bevor das Sozialamt einspringt. Ist dieses Geld ausschließlich für die Beerdigung vorgesehen, zählt es nicht zu diesem Vermögen und ist geschützt. Und sollte ein Überschuss vorhanden sein, wird dieser von uns an die Hinterbliebenen ausgezahlt.

Welche Wünsche an unseren Nachwuchs hast du, wenn es um deinen Beruf geht?
Punkt 1 sind hier wohl die sozialen Medien! Das geht aber wohl vielen Arbeitgebern so. Durch diese Ablenkung gerät die eigentliche Arbeit und die Konzentration etwas in den Hintergrund. Was bei uns natürlich sehr wichtig ist, ist der Grundanstand. Auch wenn ich privat unterwegs bin, werden natürlich die Hinterbliebenen, die man in ihrer Ausnahmesituation begleiten durfte, gegrüßt. Da kann man auch gern mal stehen bleiben und fragen, wie es einem geht. Es ist aber auch wichtig, seinem Gesprächspartner einfach mal zuzuhören.
Und es fehlt ein wenig die Eigeninitiative des Nachwuchses. Wenn eine Arbeit abgeschlossen ist, nicht auf die Anweisung des Arbeitgebers zu warten sondern auch mal selber zu schauen, was noch zu tun ist. Das finde ich wirklich sehr schade.

Wie ist für dich als Bestatter die „Corona-Zeit“?
Da fragst du was! Traurig, unendlich traurig. Man muss ja mit Covid-Verstorbenen ganz anders umgehen als mit „normalen“ Verstorbenen. Es darf kein Abschied am offenen Sarg genommen werden, man darf nicht noch einmal die Hand halten. Wir hatten auch ganz oft den Fall, dass wir nicht einmal Fotos von den Verstorbenen machen durften, das hat sehr vielen Hinterbliebenen die Trauerarbeit erschwert.
Infektionsschutz – natürlich das geht vor, aber der fehlende Abschied! Das ist nicht gut. Auch die Einschränkungen bei der Trauerfeier: es waren nur 10 Personen erlaubt, ganz am Anfang durften ja nur die Ehepartner und Kinder Abschied nehmen. Die Hinterbliebenen waren wirklich sehr entsetzt und traurig, das hält bei den Trauernden auch noch lange an. Im Discounter laufen 30 Menschen mit Einkaufswagen herum und beim letzten Abschied eines lieben Menschen soll das nicht möglich sein. Sorry, das verstehe ich nicht, das nimmt auch mich sehr mit.

Was hast du für dich und dein Unternehmen noch so vor?
Die Menschen selbst mitmachen lassen. Einige möchten ihre Verstorbenen auch selbst versorgen. Das war vor ganz vielen Jahren noch gang und gäbe und wird heute auch wieder mehr gewünscht.
Vor allem will ich aber auch mit diesem Tabu-Thema brechen. Man muss sich damit auseinandersetzen, es trifft jeden irgendwann. Ich biete gern mal einen Tag der offenen Tür an. Ich lass mich auch gerne für Vorträge einladen, um dieses Thema den Menschen näher zu bringen. Wir hatten auch schon Anfragen von Schulen. Kinder trauern mit Sicherheit anders als Eltern und Großeltern. Ich bin der Meinung, je mehr man sich in jüngeren Jahren mit diesem Thema beschäftigt, um so leichter fällt einem der Abschied und die Trauer im Alter. Man ist dann nicht so hilflos.

Lucien, ich danke dir sehr für dieses Interview. Ich habe heute unglaublich viel mitgenommen und ich gebe dir Recht, das darf kein Tabu-Thema mehr sein.

Interview von Elke Borger


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