Das Klima im Thüringer Oberland: Teil 5 – Dürreperioden gegen Ausgang des 18. Jahrhunderts

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Über den Autor
Alexander Blöthner M. A. (phil.), gebürtig in Plothen bei Schleiz, hat an der Universität Jena ein ›Studium Generale‹ mit Schwerpunkt auf Geschichte und Soziologie absolviert und verfasst Bücher über Lebensphilosophie, Sagen, Orts- und Regionalgeschichte, Landschaftsmythologie als auch Alltags-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Autorenwebseite: Sagenhafte Wanderungen

Im Jahre 1783 verursachte die Eruption der Laki-Krater auf Island auf der nördlichen Hemisphäre einen sehr harten Winter. Darauf folgte besondere in Frankreich ab dem Jahre 1788 eine der für die Kleine Eiszeit charakteristischen Häufungen klimatischer Extreme: Eine extreme Dürre – verbunden vielerorts mit Hagel – warf die Getreideerträge zurück. Der darauffolgende Winter wurde extrem kalt, darauf kam im Frühjahr heftiges Tauwetter mit Überschwemmungen, die zu Viehseuchen führten. Weil aber die Wassermühlen aus Wassermangel nicht mahlen konnten, hat man das ganze Jahr 1789 über auch kaum Brot backen können. »Die einfache Land- und Stadtbevölkerung litt unter der Nahrungsmittelknappheit als Folge der Klimaverschlechterung am deutlichsten, und die hungernden Massen waren es, die der Französischen Revolution zu ihrem Durchbruch verhalfen. Somit war die Kleine Eiszeit, wenn auch indirekt, eine von vielen Ursachen für den Ausbruch der Revolution.«1

Auch in Thüringen und Sachsen war der Winter von 1788/89, vor allem zwischen dem 20. November und dem 26. Januar, so streng wie seit 50 Jahren nicht mehr. Wildtiere, Stallvieh, vereinzelt auch Menschen erfroren.2 Als Folge davon war die Ernte 1789 auch in den ertragreichen Gegenden nicht so gut ausgefallen. Insbesondere fehlte es an Viehfutter. Das Jahr 1790 war noch weniger ertragreich, denn es herrschte eine extreme Trockenheit. Auch hier hatten Flüsse und Bäche ihren Tiefststand erreicht. Kein Wassertriebwerk drehte sich mehr. Korn konnte kaum noch gemahlen, Brot kaum noch gebacken werden. Alljene, deren Erwerb davon abhing – das waren neben den Müllern, Bäckern und ihren Gesellen auch die Mühlknappen, die Manufakturarbeiter in den Spinnereien, die Hammerschmiedeknechte und sogar die Bergleute, deren Gewerk eng mit den Hütten und Großschmieden verknüpft war – kamen in Not. Das Stallvieh auf den Rittergütern, besonders aber der Überbestand an Tieren in den Gutsschäfereien litt besonders unter dem Futtermangel. Während es durchaus Rittergutsbesitzer gegeben hat, die einige ihrer Weiden für das notleidende Vieh ihrer Untertanen hergaben, besaß die Mehrzahl ihrer Standesgenossen bei weitem nicht solche Weitsicht, sondern strapazierte ihre Mithüterechte auf den Flächen der Bauern, belastete also deren Wiesen und nach der Ernte auch deren Äcker über Gebühr. Im Reußischen konnten größere Unruhen noch verhindert werden, in Sachsen aber kam 1790 ein Bauernaufstand in Gang, in dem sich das ›glückliche, sonst so friedfertige‹ Landvolk der Meißener, Lommatzscher und Oschatzer Gegend wider seine Guts- und Gerichtsherrschaften empörte und große Ausschreitungen beging.«3

Auch in den darauffolgenden Jahren fielen nicht genug Niederschläge und überall da, die bäumepflanzenden Amtsfröner in den Waldboden hackten, wirbelte nur Staub auf. Infolge der inzwischen aufgekommenen Fichtenmonokultur war der Wald ohnehin anfälliger für Schädlinge geworden. So fegt im Jahre 1796 eine Raupenplage [Nonnenfraß] ungekannten Ausmaßes durch die Wälder des Oberlandes. In der Schleizer Chronik von Fröhlich steht darüber: »Tannen und Fichten waren so stark betroffen, daß Raupenkot ¼ Ellen hoch unter manchen Bäumen lag. Die Raupen kamen Ende Mai, Anfang Juni hervor, fraßen einen Monat und verpuppten sich. Daraus entstanden Schmetterlinge, ganz weiße Nachtvögel. Die Wälder waren mit Eiern bedeckt wie mit Reif. 1798 kam im Frühjahr eine Fliegenart, die diese Schädlinge tötete, der Rest der Brut wurde im Frühjahr 1799 durch den starken Frost gänzlich vernichtet. Man hatte Angst vor Ansteckung, so wurde befohlen, daß keiner während der Fraßzeit den Wald betreten durfte. Viehhüten und Beerensammeln war streng verboten. In 24 Stunden fraßen die Raupen einen Baum leer. Heinrich XLII. läßt arme Leute die Raupen ablesen. Ein Mann schafft 36-40 Kannen voll Raupen täglich. Die Raupenplage dauerte drei Jahre. Der Kettenwald bei Dröswein, der Schleiz-Oberoschitzer Wald, aber auch die Gegend um Ebersdorf und Hirschberg waren davon betroffen.«4 Zur Verwertung der Unmengen an Schadholz erbaute man 1797 in Weckersdorf eine [Tafel-]Glashütte und hielt sie bis 1802 in Betrieb. An der Wettera entstand ein Floßgraben, durch den mehrere 100.000 Klafter Schnittholz bis nach Naumburg geflößt werden konnten. Im Winter transportierte man das Flößerholz mit großen Schlitten bis zur Wettera. Ein Kohlenmagazin für die Hammerwerke und Dorfschmieden wurde angelegt. Das Bauholz war sehr billig.


1 Vgl. Wolfgang Behringer: Kulturgeschichte des Klimas – Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung,2007, S. 215f.

2 Vgl. Heimat-Glocken 1938, Nr. 9, bei Bergner 2005, S. 27

3 Friedrich Johannes Haun: Bauer und Gutsherr in Kursachsen, Straßburg 1892, S. 205

4 Zitiert bei Veronica Hegner: Der Ketten- und/ oder Köthenwald bei Dröswein, in: Heimatjahrbuch Saale-Orla-Kreis 2010, S. 45f.; Vgl. Hänsel 1925, S. 27ff.

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